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Prostituierte, im Kreis fahrende Freier, Dealer und Einbrüche durch Süchtige prägen die Nachtarbeit der Polizei - die Schwierigkeiten mit dem System sind deutlich

Foto: REUTERS/ Paolo Cocco
Dealer, Demos, Prostituierte prägen die Nachtschichten im Wiener Polizeiwachzimmer Sechshauser Straße. Und die Probleme mit fehlendem Personal kombiniert mit dem Probebetrieb des neuen Dienstzeitsystems. Darüber darf aber nicht gesprochen werden.

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Wien - "Aha. Es stinkt und blinkt. Na warten Sie, ich schicke wen vorbei." Roman Mrazek legt den Hörer auf und verständigt seine Kollegen im Funkwagen. "Ja, es hat grad eine ältere Dame aus der Reindorfgasse angerufen, da dürfte ein Autoalarm losgegangen sein, und sie kann nicht schlafen. Könnt ihr euch das einmal anschauen? Danke." Die Lärmbelästigung kurz nach Mitternacht ist für den Chef des Wachzimmers Sechshauser Straße im Wiener Gemeindebezirk Rudolfsheim-Fünfhaus und seine vier Kollegen eine leichtere Übung.

Im Kreis fahrende Freier

Seit rund sechs Stunden sind die Beamten im Dienst, an einem der sozialen Brennpunkte der Bundeshauptstadt. Prostituierte in den Nebengassen der Mariahilfer Straße und im Kreis fahrende Freier, Dealer und Einbrüche durch Süchtige prägen ihre Arbeit. Besonders das Thema Prostitution beschäftigt die Polizisten in dieser Nacht zum Samstag: Anrainer hielten eine gut zweistündige Demonstration gegen die ihrer Meinung nach unhaltbaren Zustände durch den Straßenstrich ab, die Grünen hatten eine Gegenkundgebung organisiert.

Zu viel oder zu wenig

Während sich die Teilnehmer verbale Scharmützel liefern, gibt sich Mrazek realistisch: "Die Polizei kann aus Sicht beider Gruppen immer nur das Falsche machen - entweder zu viel oder zu wenig." Man sei aber durchaus gegen die Freier aktiv. Mit Strafzetteln wegen "Nichtbeachtung des Umkehrverbotes auf Vorrangstraßen". Denn die Männer auf der Suche nach käuflichem Sex wenden illegalerweise immer an bestimmten Stellen der Mariahilfer Straße. "Einmal haben wir demselben Lenker sieben Strafen in fünf Minuten verpasst."

Verhindern dass die Dealer zu aktiv werden

Ein anderes Problem im von gut 35.000 Menschen bevölkerten Revier ist das Suchtgift. Mrazek setzt dabei auf kleine Schritte: "Von einzelnen Großeinsätzen halte ich weniger. Wichtiger ist es, ständig präsent zu sein, um zu verhindern dass die Dealer zu aktiv werden." Über 100 mutmaßliche Rauschgifthändler haben die Uniformierten so in den vergangenen neun Monaten ausgeforscht.

Redeverbot

Über ein anderes Thema darf der dienstführende Beamte nicht sprechen: den auch hier laufenden Probebetrieb des neuen Dienstzeitsystems. Mit Ende Oktober wird der Versuch offiziell beendet und zum alten Modell zurückgekehrt, entschied man im Ministerium. Vom Tisch ist die Reform damit jedoch noch nicht. Aber auch ohne Worte werden die Schwierigkeiten mit dem System deutlich, als es um einen Dienst am Samstagnachmittag geht: Mehrere Beamte stehen vor dem vielfärbigen Dienstplan und versuchen zu eruieren, wer für den Einsatz infrage kommt.

Kurz nach ein Uhr ruft ein Vorgesetzter an. Wieder geht es um den Strich. Der Funkwagen "Otto 3" soll eine behördenintern "Aktion Blaulicht" genannte Streife auf der Mariahilfer Straße fahren, um die Freier im Auge zu behalten. Denn die Demonstranten sind weg, die Prostituierten stehen wieder da. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe 13.9.2004)