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Im venezianischen Arsenale wird das Verhältnis internationaler Metropolen zu ihren Hafenanlagen thematisiert: eine durchaus künstlerisch gemeinte Engführung.

Foto: Merola/epa
Der Architekt als Weltenschöpfer meldet sich zurück: Die Architekturbiennale ist mehr als eine Ausstellung über Architektur. Sie zeigt Zukunftsvisionen, steigt aber auch in die Gedankenräume japanischer Teenager hinein.


Venedig - Bei der Filmbiennale ist die Verleihung der Goldenen Löwen zugleich Höhepunkt und Ende des Festivals, bei der Architekturbiennale hingegen standen die Löwen schon neben den ausgezeichneten Projekten, als nach drei Vorbesichtigungstagen die Ausstellung am Sonntag schließlich für das Publikum geöffnet wurde.

Neben den drei Löwen (der STANDARD berichtete) wurden acht weitere Auszeichnungen für die jeweils beste Arbeit innerhalb der einzelnen Ausstellungssektionen vergeben. In der Rubrik "Transformations" ging die Auszeichnung an den Grazer Architekten Günther Domenig für sein Dokumentationszentrum auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg.

Dass auch die Nasa eine Auszeichnung bekam, und zwar für ein Foto der Marsoberfläche, aufgenommen im Jänner von der Sonde "Spirit", mag zunächst merkwürdig erscheinen. Aber die neunte Architekturbiennale ist mehr als eine Ausstellung von Plänen und Modellen. Das Marsfoto hängt in einer Sektion zur zeitgenössischen Architekturfotografie, die dem Thema "Landschaft" gewidmet ist - aber zu sehen ist alles andere als unberührte Natur, sondern künstliche, von Menschen geformte Landschaften wie beispielsweise die Alpenstraßen auf den Fotos der österreichischen Fotografin Margherita Spiluttini, gezeigt ebenfalls in dieser Sektion.

Unter den zeitgenössischen Architekten herrscht starkes Interesse an dieser konstruierten "zweiten Natur". Die Sektion "Topography", sie ist Teil der Ausstellung im Arsenale, präsentiert unzählige Entwürfe, die wie Lavaströme aus der Erde gekrochen zu sein scheinen. Hier ging die Auszeichnung an das Londoner Büro Foreign Office Architects der in Wien lehrenden Architektin Farshid Moussavi für den Entwurf einer Parkgarage eines Pharmakonzerns in Basel.

Im Schweizer Pavillon wird der wiedererwachte Glaube an die Schrankenlosigkeit des technisch Machbaren ins Extrem getrieben. Christian Waldvogel, der Urheber des Szenarios "Larger Earth", ist allerdings Künstler, nicht Architekt, doch das ist bei dieser Ausgabe der Biennale nichts Ungewöhnliches. Die Grenzen zur Kunstbiennale sind fließend geworden. Eigentlich alle Grenzen, denn Waldvogels Vision der Metamorphose des Planeten Erde in eine Raumstation mit dem Neunfachen der heutigen Oberfläche wäre in einem Museum der Wissenschaft, Abteilung Größenwahn, ebenfalls gut verstaut.

Harmloses Österreich

Wie bodenständig wirkt dagegen doch der österreichische Pavillon, wo es vier jungen Architektengruppen nicht gelingt, gemeinsam genug Lärm zu machen, um auf die eigentlich sehr vitale Szene hierzulande hinzuweisen. Im Reizüberflutungsgebiet der Architekturbiennale geht auch die so wichtige Position der Tiroler MPreis-Kette einfach unter, denn die hübschen Modelle und Skizzenbücher sind einfach harmlos, statt angemessen laut "Super! Markt!" zu brüllen.

Oft genug ist zwar auf dieser Biennale das, was so lärmend daherkommt, beim näheren Hinsehen ein Flop, wie etwa die Installation von Peter Eisenman, der für sein Lebenswerk den Goldenen Löwen bekam, aber Österreich hätte doch mehr konzeptionelle Schärfe verdient als die schlichte Aneinanderreihung an sich sehr guter Entwürfe.

Zu den Höhepunkten der Biennale zählt die Sektion "Floating Cities" im Becken des Arsenale. Die Ausstellung ist dem Verhältnis verschiedener Städte zu ihren Hafenanlagen gewidmet. Bemerkenswert auch der japanische Pavillon. Er führt in die Parallelwelt der Otakus, was sich sehr frei als "Comicfreaks" übersetzen lässt. Die These: Otakus, es soll 2,8 Millionen geben, leben gar nicht in Japan, sondern haben sich in einer Traumwelt aus Manga-Heften eingerichtet. Der Pavillon führt unerbittlich tief in die Pop-Hölle der Otaku-Zimmer hinein. Architektur ist manchmal auch ein Hirngespinst. (DER STANDARD, Printausgabe vom 13.9.2004)