STANDARD: Die Kirche trägt derzeit schwer am eigenen Kreuz. Ist das Image durch Vorfälle wie in der Diözese St. Pölten dauerhaft geschädigt?

Granegger: Ich bin überzeugt, dass so etwas in der Kirche einen beträchtlichen Schaden anrichtet. Ob das im Fall Groer war oder jetzt St. Pölten - das Image ist auf lange Zeit geschädigt, und es wird dadurch der große Teil der guten Arbeit in der Kirche überdeckt. Für mich sind solche Vorfälle immer eine Watsch'n ins Kirchengesicht.

STANDARD: Die Kurve der Kirchenaustritte ist mit der "Affäre St. Pölten" weiter massiv gestiegen. Laufen Ihnen jetzt die letzten "Schäfchen" davon?

Granegger: Natürlich stellen sich viele die Frage, "Soll ich in solch einer Kirche bleiben?". Trotzdem entschließt sich der größere Teil, den "Kampf" für ein positives Kirchenimage aufzunehmen.

STANDARD: Aktuelle Statistiken belegen aber Gegenteiliges.

Granegger: Stimmt. Für diejenigen, die eine weniger enge Bindung zur Kirche haben, ist das ein Anlass auszutreten.

STANDARD: Was müsste passieren, damit die Kirche wieder mehr ins rechte Licht rückt?

Granegger: Die Kirche braucht mehr Transparenz. Missstände wird es immer wieder geben. Wichtig ist, diese sofort aufzugreifen und nicht Gras darüber wachsen zu lassen.

STANDARD: Muss nicht ein grundlegender Umdenkprozess passieren, um die Kirche wieder attraktiver zu machen?

Granegger: Der Reformbedarf ist da. Die Gesellschaft verändert sich aber oft schneller, als die Kirche mithalten kann. Wir brauchen dringend in Sachen Zölibat eine Lösung.

STANDARD: Und wie sollte diese Lösung aussehen?

Granegger : Es fehlt jetzt einfach der mutige Schritt zu einer Entscheidung. Es ist allen klar, dass der Zölibat kein biblisches Dogma ist, sondern ein reines Kirchengesetz. Und somit auch veränderbar. Es sollte beides geben: verheiratete Priester und solche, die im Zölibat leben. Mir ist aber auch klar, dass diese Veränderung unter diesem Papst nicht mehr passieren wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 11./12.9.2004)