Wenn man es ganz genau nimmt - und dazu besteht jeder Anlass, schließlich geht es um einen Krieg -, dann enthält allein schon der Name "Iraq Survey Group" (ISG), Überwachungs- oder auch Erfassungsgruppe für den Irak, ein Geständnis: Die Erwartung oder Hoffnung, Massenvernichtungswaffen zu finden, drückt er jedenfalls nicht aus. Die ISG wurde nach dem Fall Saddam Husseins in den Irak geschickt, mehrere Hundert Amerikaner und Briten - eine Zahl, von der die Irak-UNO-Inspektoren nur hätten träumen können - suchten dort mehrere Monate lang nach den verbotenen Waffen, mit deren Existenz die Irak-Invasion begründet wurde.

Nichts gefunden

Sie haben, Überraschung, nichts gefunden. Zwar werden in dem Schlussbericht der ISG, der die Gefährlichkeit Saddams betont, jede Menge Andeutungen über dessen Intentionen zu finden sein: vor allem Hinweise auf Einrichtungen, mit denen man etwas produzieren "hätte können". David Kay, ISG-Chef bis Jänner 2003, sagt aber ganz klar: "Wir haben immer von Lagern von Waffen gesprochen, die nach dem Golfkrieg 1991 produziert wurden." Es ging um Waffen, nicht um Intentionen.

Rekapitulation: Der Irak hatte vor 1991 ein geheimes Atomwaffenprogramm, das jedoch nicht ins Stadium des Bombenbaus gekommen war (der Irak besaß - noch - nicht genug waffenfähiges Uran und hatte auch andere technische Probleme nicht gemeistert); er hatte weiters große offensive Biologie- und Chemiewaffenprogramme und arbeitete an Superguns und Drohnen. Dem Abrüstungsauftrag der UNO nach dem Ende des Golfkriegs begegnete er mit Täuschung und Obstruktion.

Keine Wiederbelebung

Die politische Entscheidung Saddam Husseins 1991 war folgende: Das Gros an Waffen und relevantem Material und Anlagen wurde unilateral zerstört, um der UNO das wahre Ausmaß der Programme zu verheimlichen, aber eine "start up capability", die Basis, um die Waffenprogramme wieder hochfahren zu können, sollte erhalten werden. Die UNO-Inspektoren kamen den Waffen und Plänen dennoch auf die Spur, eine Wiederbelebung der Programme hat es, auch dank der Sanktionen, keine gegeben. Und die Angaben, die irakische Wissenschafter vor dem Kriegsausbruch 2003 ihren Kollegen von der UNO gegenüber machten, waren im Prinzip korrekt, auch wenn sie manches davon aus technischen Gründen nicht beweisen konnten.

Situation im Irak ist katastrophal

Schnee von gestern? Saddam Hussein ist gestürzt, und das ist gut so. Die Situation im Irak ist katastrophal, denn der Nachkriegszeit blieb die logistische Sorgfalt, die Washington der Propaganda vor dem Krieg angedeihen ließ, vorenthalten. Die Frage, was plumpe Lüge, was von echter Sorge getragenes Risikobewusstsein war, lässt sich nicht empirisch beantworten, aber einige Fakten sprechen für sich: Im Bericht, den die UNO-Waffenkommission Unmovic am Mittwoch im Sicherheitsrat vorlegte, heißt es, dass mit dem Sanktus der früheren US-Zivilverwaltung im Irak Tausende Tonnen Altmetall an jordanische Firmen verkauft wurden, darunter Teile von Raketenmotoren und Ähnliches. Man erinnert sich auch, dass US-Truppen nicht verhinderten, dass Waffenproduktionsstätten, darunter frühere Atomanlagen, gleich nach dem Krieg geplündert wurden: Sie wurden einfach nicht gesichert.

Ergo, höflich gesagt: Das US-Interesse an der definitiven Aufklärung der irakischen Waffenfrage kann kein übermäßig großes gewesen sein. Und es ist nicht auszuschließen, dass der Grund dafür ist, dass man wusste, dass es da nichts aufzuklären gibt. (DER STANDARD, Printausgabe 11./12.9.2004)