Wien - "Eine Ethik, die nicht stört, ist keine", betonte der Pastoraltheologe Michael Zulehner am Dienstag Abend bei einer Veranstaltung der Wirtschaftskammer (WKÖ) in Wien zum Thema "Markt, Macht und Moral". "Es geht um Benefit statt Profit", stellte der WKÖ-Redner Andreas Henkel klar. Zulehner warnte aber davor, Ethik nur als etwas Nützliches und Ertragreiches zu sehen. "Keiner kann in der Wirtschaft handeln und dabei eine weiße Weste behalten", so der Theologe in seiner pointierten Rede.

Er wunderte sich, wie sehr die Unternehmen den Begriff Ethik herausstreichen würden. "Wir zahlen einen hohen Preis, weil wir alles um die Arbeit konzentrieren", so seine These. Eine Folge davon sei, dass es immer weniger Geburten gebe. Er sprach sich in diesem Zusammenhang gegen die Sonntagsöffnung von Geschäften aus. Dies würde ohnehin nur Verkaufslokalen mit über 30.000 Quadratmetern Verkaufsfläche nützen, die Verlierer wären die Klein- und Mittelbetriebe (KMU).

"Corporate Social Responsibility"

Die Wirtschaftskammer schätzt, dass sich derzeit rund 70 Prozent der Großbetriebe und 45 Prozent der KMU auf das Thema "Corporate Social Responsibility" (soziale unternehmerische Verantwortung, CSR) vorbereiten würden oder die WKÖ-Richtlinie dazu bereits umgesetzt hätten. Wobei die Zahl bei den Klein- und Mittelbetrieben auf Eigenangaben der Unternehmen beruhe. Die Wirtschaftskammer betonte, dass man eine freiwillige Umsetzung der CSR forcieren wolle, gleichzeitig sprach man sich aber gegen eine gesetzliche Regelung aus. Begründung der WKÖ: Dies würde zu mehr Bürokratie führen.

Zu viel Bürokratie sahen einige Diskussionteilnehmer bei der Wirtschaftskammer selbst. So wurde die Zwangsmitgliedschaft bei der Kammer genauso kritisiert wie die Frühpensionierungen von Kammer-Mitarbeitern und "undemokratische Strukturen".

Zu der Causa "Rewe-Lieferantenbeziehungen" meinte der Wiener Obmann der Sparte Handel, Fritz Aichinger, dass die "Spielregeln eingehalten werden müssen". Und das sei bei Rewe nicht der immer Fall gewesen. Zulehner merkte dazu an, dass man die Frage stellen müsse, ob die Spielregeln an sich ethisch seien. "Wir brauchen auch eine Ethik der Strukturen", so der Theologe. Er plädierte für den Sozialstaat, dieser sei "kollektiv organisierte Gerechtigkeit". (APA)