Und täglich grüßt der Austrokoffer<7b>

Die stetig dem Standard ins Haus flatternden Beifallskundgebungen für Günther Nennings Bemühen, "Österreichische Literatur nach 1945" in einen "Austrokoffer" zu packen, füllen mittlerweile eine veritable Reisetasche. Heute schließt sich Barbara Frischmuth den Gratulanten an: Lieber Günther Nenning, da ich inzwischen in Graz war, bin ich noch nicht dazu gekommen, Ihnen zu antworten. Auch wollte ich mir meine Teilnahme oder Nichtteilnahme entsprechend überlegen.

Ihr Versuch, meine Bedenken mit dem Hinweis zu beschwichtigen, dass die von Ihnen zusammengestellten Autoren "so gut wie alle Anti-Schüssel und Anti-Schwarz-Blau" seien, hat mir erst recht gezeigt, wie unliterarisch Sie denken. Anti-Schüssel oder Anti-Schwarz-Blau sind keine literarischen Kategorien und um die sollte es doch in erster Linie gehen, wenn das ganze Projekt überhaupt einen Sinn haben soll. Auch stoße ich mich zusehends an der Bezeichnung Austrokoffer. Zu sehr erinnert sie mich an den seinerzeitigen Sex-Koffer für die Schulen.

Diese Argumente (zusammen mit den von mir in meinem ersten Brief vorgebrachten - und von Ihnen nicht kommentierten - Bedenken gegen das austrochauvinistische Gehabe, das man, wenn überhaupt, dann den Skifahrern und Fußballern überlassen sollte) sprechen insgesamt gegen dieses Monsterprojekt. Ich schließe mich hiemit all jenen Kollegen an, die im Austrokoffer nicht abgedruckt werden wollen.

Mit besten Grüßen Barbara Frischmuth

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8. 9. 2004)