Hannover/Hamburg - Europas größter Reisekonzern TUI hat den Börsengang seiner Schifffahrtstochter Hapag-Lloyd abgesagt. Im Laufe der Vorbereitungen habe sich "die Lage auf den Kapitalmärkten verändert, so dass ein fairer Wert für das Unternehmen derzeit nicht zu realisieren ist", erklärte TUI am Dienstag in Hannover. Auch einem Verkauf an einen Investor, ganz oder teilweise, erteilte TUI-Chef Michael Frenzel in Hamburg eine Absage.

"Wir beabsichtigen nicht, Hapag-Lloyd an einen strategischen Investor zu veräußern", sagte Frenzel. "Es gibt, gab und wird auch keine Verkaufsgespräche geben." Ein teilweiser Verkauf mache für den Konzern strategisch keinen Sinn. Das Interesse anderer Unternehmen spreche nur für die Werthaltigkeit der Tochter. "Schöne Bräute werden halt umworben", sagte Frenzel.

Turbulenzen

TUI als Nummer eins im europäischen Reisemarkt sah sich in den vergangenen Monaten heftigen Turbulenzen ausgesetzt. Nachdem die Investmentbank Morgan Stanley ihren Anteil auf 10,1 Prozent aufgestockt hatte, sorgte sich Konzernchef Frenzel, sein Unternehmen könne Ziel einer feindlichen Übernahme werden. Es folgten heftige Kursausschläge. Ein drohender Rauswurf der Aktie aus dem Deutschen Aktienindex (DAX) blieb TUI nach der Entscheidung der Deutschen Börse vom Freitag vorerst erspart.

Der Konzern sieht sich nun nicht mehr akut durch eine Übernahme bedroht. Diese Gefahr bestehe "nicht mehr in dem gleichen Maße wie vor vier oder sechs Wochen", sagte Frenzel. "Die Hürde ist heute erheblich höher geworden", fügte er mit Blick auf den gestiegenen Aktienkurs hinzu.

Börsegang "kein Muss"

Aus finanzieller Sicht sei der Börsengang der Hapag-Lloyd "kein Muss" mehr gewesen, betonte Frenzel. Zuletzt hatte er immer wieder betont, die Tochter nicht um jeden Preis abgeben zu wollen. Nach letzten Schätzungen der Analysten bei M.M.Warburg hätte TUI weniger als zwei Mrd. Euro für ein Drittel der Anteile bekommen. Das war dem finanziell angeschlagenen Konzern offenbar zu wenig.

Der Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Jürgen Kurz, bezeichnete die Absage für den Börsengang als überraschend. Die Begründung, die Börse habe nicht mehr genug hergegeben, könne er nicht nachvollziehen. "Was für eine Börse hat TUI denn im Laufe des Jahres erwartet?" Abgesehen davon, dass der September traditionell ein schwacher Börsenmonat sei, sei in den vergangenen Monaten nichts Gravierendes passiert.

Weitere Notbremse

Mit Hapag-Lloyd hat ein weiterer Börsenkandidat die Notbremse gezogen. Im Sog der Postbank haben sich bisher nur zwei Unternehmen an die Börse gewagt, die Mitteldeutschen Fahrradwerke (Mifa) und der Geldautomaten- und Kassenhersteller Wincor Nixdorf. Nun sieht Kurz für dieses Jahr wenig Hoffnung auf weitere Börsenstürmer: "Das war's dann für dieses Jahr."

Hapag-Lloyd gilt als Perle des TUI-Konzerns. Im vergangenen Jahr erreichte das Unternehmen das beste Ergebnis ihrer 157-jährigen Geschichte. Die Schifffahrtstochter setzt neben Kreuzfahrten vor allem auf den Containerverkehr.

Die Börse reagierte zunächst enttäuscht auf die Absage. Der TUI-Kurs sackte nach Handelsbeginn um gut zwei Prozent ab. Kurz darauf erholte sich das Papier jedoch und notierte gegen 15.50 Uhr bei 14,86 Euro. Dies war ein Plus von 0,27 Prozent im Vergleich zum Vortag. Analysten betonten, TUI hätte bei dem aktuellen Börsenumfeld nur einen geringen Preis erlöst und können nun weiterhin von der erfolgreichen Tochter profitieren. (APA)