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Starpower am Lido: Meryl Streep und Denzel Washington promoten Jonathan Demmes exzellenten Paranoia-Thriller "The Manchurian Candidate".Foto: AP

Foto: AP /Domenico Stinellis
Den Beginn des 61. Filmfestivals von Venedig dominieren zwei beachtliche US-Genrearbeiten: Jonathan Demmes brisantes Remake des Politverschwörungsfilms "The Manchurian Candidate" und Michael Manns "Collateral", ein Großstadtthriller mit Tom Cruise.


"Tom, Tom, Tom!" - Kaum waren die Anfeuerungsrufe der Paparazzi in Richtung Tom Hanks verklungen, bot sich mit Meryl Streep und Denzel Washington schon die nächste Photo-Opportunity an: Der Beginn der Filmfestspiele von Venedig gehörte den Hollywoodstars. Ihre Präsenz wird Direktor Marco Müller Sympathien eintragen, will man sich doch am Lido wieder mit Cannes und Berlin messen können.

Streep und Washington sind gemeinsam mit Regisseur Jonathan Demme gekommen, um den Verschwörungsthriller The Manchurian Candidate zu promoten, das Remake von John Frankenheimers irrwitziger Politparabel über den Kalten Krieg, in dem sich Kommunisten der US-Regierung zu bemächtigen versuchen.

Frankenheimer schuf noch ein Bild der paranoiden Einbildung, die neue Fassung ist hingegen fest in einer Kultur der Angst verankert, die längst zur US-Realpolitik gehört. Demme passt das Original behände an die Gegenwart an: Aus den Korea- werden Golfkriegsveteranen, die Unterwanderung kommt von innen, wenn ein US-Konzern über einen ferngesteuerten Politiker seinen Einfluss im Weißen Haus gesichert wissen will.

Anders als Michael Moores Fahrenheit 9/11 muss The Manchurian Candidate dabei als fiktiver Politthriller nichts beweisen können. Hier kann eine großartige Meryl Streep wie eine dämonische Version von Hillary Clinton agieren, und Washington, überzeugend wie schon lange nicht, an der Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit einer Wahrheit hinterherspüren, die allein jene des Genres ist.

Aber nicht nur weil im Off der Bilder unentwegt Radiostimmen von neuen Terrorgefahren künden, erscheint dieser Film so nahe am Zeitgeschehen: Demme führt mit einem fiktiven Szenario auch vor, dass konspirative Konzepte längst Allgemeingut geworden sind - und von Politikern bewusst dienstbar gemacht werden, um für ihre Auffassungen Mehrheiten im Volk zu schaffen.

Killer Cruise

Während der Wettbewerb noch nicht richtig in Gang gekommen ist, konnte mit Collateral, dem neuen Thriller von Michael Mann (The Insider), noch eine weitere US-Genrearbeit am Lido überzeugen.

In nachtblauen, nur von den Neonschildern L. A.'s beleuchteten Videobildern erzählt der Film von der Begegnung des Taxifahrers Max (Jamie Foxx) mit dem Auftragskiller Vincent, den ein künstlich ergrauter Tom Cruise mit dem stoischen Gestus eines Alain Delon verkörpert. Mann entwirft denn auch ein an Jean-Pierre Melville erinnerndes, existenzialistisches Kammerspiel auf dem weiten Terrain einer zentrumslosen Stadt: Vincent, cool und amoralisch, zwingt Max, ihn von einem Mordtermin zum nächsten zu chauffieren, er will ihn damit auch lehren, die eigenen ethischen Werte zu vergessen.

Nicht so sehr dieses interne Drama, das mitunter zu sehr auf Übermensch-Rhetorik setzt, begeistert an Collateral, als die Eleganz, mit der Mann dieses in die Topografie der Stadt einschreibt. Es ist, als ob die Metropole selbst zum Körper würde, zu atmen beginnt:

Dahingleiten in vollkommener Stille wird von brillant exekutierten Actionexzessen konterkariert, eine ungemeine Anspannung wechselt auf Müdigkeit. Gegen Ende durchkreuzen zwei Kojoten die Straße: Ein Bild der Wildnis, die sich mitten in der Zivilisation ausbreitet. (DER STANDARD, Printausgabe vom 4.9.2004)