Wien - In einer Art Sparstrumpfumfrage im Rahmen von 47.000 Einzelinterviews, gesponsert von der Bank Austria Creditanstalt (BA-CA), haben die Meinungsforscher von Fessel-GfK das "Sparverhalten und die Produktnutzung in Zentral- und Osteuropa" untersucht. "Sparen ist dort derzeit ein großes Thema", so Fessel-GfK-Finanzmarktexperte Alexander Zeh zu einem der wichtigsten Trends. Die Sparmotive überraschen nicht: Es geht, so überhaupt Geld übrig bleibt, um Erwerb von Grund und Boden, Verbesserung der Wohnsituation, Ausstattung des Haushaltes, Anschaffung von Bekleidung. Der "Sparstrumpf" hat noch nicht ausgedient, besonders in ärmeren Ländern, wo das Vertrauen in die Finanzmärkte gering ist.

Die HVB-Tochter BA-CA betreibt derzeit 870 Niederlassungen in elf Ländern. Bis 2007 will sie 200 weitere Filialen eröffnen, davon 80 in Polen, 60 in Ungarn und den Rest in Südosteuropa. In Zentral- und Osteuropa ist der Bankenmarkt laut dem zuständigen BA-CA-Bereichsvorstand, Martin Grüll, gemessen an der Anzahl der Bankkunden 1999 praktisch nicht gewachsen - entsprechend groß sei das Aufholpotenzial. Man gehe von einer Zunahme der Bilanzsumme in dieser Region um jährlich zehn Prozent in den nächsten zehn Jahren aus. Seine Klientel beschreibt Grüll so: "Die Bankkunden in Osteuropa sind aufgewacht. Sie verlangen gute Produkte, Service und Transparenz. Am größten ist ihr Bedarf an Finanzierungen."

Bankverbindung nötig

Kredite setzen jedoch eine Bankverbindung voraus. Und genau da orten die Institute ihre Chance; hat doch in Österreich so gut wie jeder über 15 längst ein Konto. In Ungarn und Polen sind es zwei von drei Einwohnern, in Südosteuropa erst 40 Prozent. In der Slowakei, der Tschechischen Republik und Kroatien haben vier Fünftel der Bevölkerung eine Bankverbindung. Die Schlusslichter bilden Serbien und Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Rumänien und Bulgarien. Dort hat nur knapp ein Drittel der "bankfähigen" Bevölkerung eine Geschäftsbeziehung zu Geldinstituten.

"Extremen Nachholbedarf" sehen Meinungsforscher und Banker bei Verbraucher- und Hypothekarkrediten. Während in Deutschland, Österreich und Slowenien ein Fünftel aller Erwachsenen Kredite nutzen, seien es in Polen erst 15 Prozent, in Kroatien 13 und in Ungarn neun Prozent. Dabei sei der "Bedarf an raschem Geld enorm", so Grüll. Sein Beleg dafür: "In Polen haben wir in den vergangenen zwölf Monaten unser Neuvolumen im Hypothekarkreditgeschäft um 73 Prozent gesteigert, in Ungarn ist das Volumen im Jahresabstand um 140 Prozent gewachsen, in Bulgarien sogar um 230 Prozent."

Risikostruktur "völlig anders"

Angst vor faulen Krediten brauche man dabei nicht zu haben, so der Banker, die Risikostruktur in Zentral- und Osteuropa sei "völlig anders als in Österreich". Während ein typischer Hypothekarkredit hierzulande eine Laufzeit von 20 Jahren habe, betrage sie in Polen acht Jahre, die Rückzahlung beginne schon nach drei Monaten. Entsprechend niedrig sei auch die Ausfallquote in Mittel- und Osteuropa. Sie betrage bei Privatkrediten maximal ein Prozent, so Grüll. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.9.2004)