Diese Geiselnahme macht uns selbst zu Geiseln", hat der französische Muslimvertreter Lhaj Thami Breze festgestellt. Die MuslimInnen fühlen sich ebenfalls als Opfer der Entführung von zwei Pariser Journalisten im Irak. Denn sie verlangten bisher dasselbe wie jetzt die islamistischen Kidnapper: dass Frankreich das Verbot religiöser Zeichen in den Schulen zurücknimmt und das islamische Kopftuch wieder zulässt. Aus Furcht, mit den "Gotteskriegern" in den gleichen Topf geworfen zu werden, sind sie nun sogar bereit, das Verbot zu befolgen.

Wenn das tragische Los der Geiseln nicht wäre, könnte die Französische Republik den Entführern dankbar sein: Selten vollzogen die BürgerInnen in einer so heiklen Frage einen nationalen Schulterschluss wie derzeit gegen die Entführer - und gegen deren Forderung. Militante Muslimverbände wie die von Breze geleitete UOIF unterwerfen sich der Staatsordnung, nachdem sie sich bisher um eine klare Antwort gedrückt hatten, wenn sie nach der Vorrangstellung von Staat oder Koran gefragt wurden. Die Geiselnahme im Irak zwingt ambivalente MuslimInnen, Stellung zu beziehen. Und in ihrer überwältigenden Mehrheit schlagen sie sich auf die Seite des Staates, dessen BürgerInnen sie sind.

Zwischen Islamismus und Laizismus

Aber leicht fällt ihnen das nicht. Das Kopftuchgesetz mag zu Recht säkulare Prinzipien hochhalten und festschreiben - praktizierende MuslimInnen, JüdInnen und ChristInnen kauen schwer daran. PolitikerInnen und Behörden sehen auch, in welch schwieriger Lage sich viele französische MuslimInnen heute zwischen Islamismus und Laizismus befinden. Aus diesem Grund empfahl der liberale Christdemokrat Bernard Stasi - dessen Kommission das Kopftuchgesetz ausarbeitete - erneut einen eigenen Schulfeiertag für Muslime und Juden. Vielleicht gar keine schlechte Idee: Der Staat hat zwar das Recht, von seinen BürgerInnen die Einhaltung seiner Gesetze und Landessitten zu verlangen. Aber er hat auch das Recht, großzügig zu sein. (Stefan Brändle/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 3.9. 2004)