Es ist die Anti-Uniform par excellence. Und wird dennoch von jedem getragen. Es ist der größte Sprücheklopfer in der Welt der Mode. Und gleichzeitig der größte Feigling. Das T-Shirt ist Rebell und Duckmäuser, Demokrat und Radikaler, Künstler und Stümper. Das macht seine Erfolgsgeschichte im vergangenen Jahrhundert aus. Und ein Ende seiner Karriere unabsehbar.

Über zwei Milliarden Shirts werden jährlich weltweit verkauft. Tendenz steigend. War der Markt lange erst von eng geschnittenen Leiberln beherrscht, dominierte daraufhin die XXL-Version. Mittlerweile hat sich das Angebot ausdifferenziert und das T-Shirt seine Proportionen gefunden. Sprich: Die Zeiten, als man noch einigermaßen den Überblick über die Welt der T-Shirts hatte, über seine Bedeutungen und Codes, ist unwiederbringlich vorbei.

Das weiße Shirt von James Dean als der Look der Angry Young Men, das Che-Kopf-verzierte Banner als Ankündigung einer kommenden Revolution, das Logo-bedruckte Ungetüm als Statement des eigenen Markenbewusstseins - das waren Messages, auf die man sich verlassen konnte. Mittlerweile hat das T-Shirt als direktestes Ausdrucksmittel der Mode eine Art Zwitterstatus erreicht: Es ist zu einem der Protagonisten im Spiel mit Anspielungen geworden, zum Ironie-besetzten Tool einer mit frei flottierenden Bedeutungen spielenden Gesellschaft. Eines, das für jeden zu haben ist, das mühelos mit der eigenen Signatur zu versehen ist, und in dem dann doch manchmal ein ziemlich radikaler Kern steckt.

"Priesterseminar St. Pölten" steht auf dem Rücken der vor einigen Wochen in Umlauf gekommenen Shirts des Wiener Labels St. Gottheart. (stgottheart.tk). Und vorne wahlweise: "Bubenstreicher", "Ich habe gesündigt", "Ich will beichten" oder "Musterschüler". Auf welche Vorgänge das Ganze abzielt ist klar, das Bedeutungsspektrum ein wenig diffiziler. Man identifiziert sich ironisch mit den Seminaristen von St. Pölten, mit ihren "Sünden" und "Streichen", und zielt damit gegen eine männerbündlerische Kirche, die ihre Affären am liebsten in aller Heimlichkeit abhandelt. Das Shirt zerrt die Causa in die Öffentlichkeit. Das ist frech, und das ist subversiv.

Doch die Bubenstreiche betreffen eben nicht nur eine Kirche, die gegenüber gleichgeschlechtlich Liebenden ihre eigenen Grundsätze über Bord wirft, sondern auch einen strafrechtlich relevanten Sachverhalt. Das kalkuliert der Träger eines St. Gottheart-T-Shirts mit ein, und das ist auch der Punkt, der die Shirts mit Zündstoff auflädt.

Trotzdem wird man keinem Träger dahingehend einen Vorwurf machen, all zu offensichtlich ist die Stoßrichtung der Rebellion, die dahinter steckt - und der Rückgriff auf ein dem T-Shirt eigenes Repertoire der Aufmüpfigkeit, das in diesem Fall funktioniert, auch wenn es mittlerweile oft zum reinen Logo verkommen ist. Die Widerstands-Geste von T-Shirts ist nämlich längst im Spiel der Zeichen, das sich alle aufgeweckten Modekonzerne zu nutzen gemacht habe, aufgerieben worden.

Lifestyle-Objekte

Baader-Meinhof oder Bin-Laden-T-Shirts spielen mit dem Sprengstoff. Und funktionieren als Lifestyle-Objekte, weil eben auch die Baader-Meinhof-Gruppe oder Bin Laden längst zu einem Pop-Phänomen geworden sind. Noch 1970 hatte die Zeitschrift Elle gewettet, dass das T-Shirt "ein Basic wird, das niemals aus der Mode kommt, weil es nie etwas mit ihr zu tun hatte." Das hat sich mittlerweile bewahrheitet, mit dem Siegeszug des Pop ging auch der Siegeszug des T-Shirts einher. Der Pop hat das T-Shirt zu seinem Lieblingsmodestück erklärt, doch das T-Shirt wurde selbst Pop.

Demokratisierung der Kunst

Bestens ist das im Kunstbereich ablesbar, in dem sich gerade jene Künstler des Mediums bedienen, die mit den Mechanismen des Pop am geschicktesten umgehen. Und denen (wie etwa dem Graffitikönig Keith Haring) eine Demokratisierung der Kunst am Herzen liegt. Jenny Holzer druckte ihre "Truism" auch auf T-Shirts, Barbara Kruger engagierte sich mit Shirts, auf denen "Your body is a Battlefield" zu lesen war. Noch näher am Pop bewegte sich in den 90ern der japanische Manga-Künstler Takashi Murakami, der das Merchandising selbst zu einem Teil seiner Kunst erklärte.

Diese Affinität der Kunst zu jenem Kleidungsstück, das am einfachsten als Medium zu benutzen ist, macht sich jetzt auch die schwedische Wodkamarke Absolut zunutze, die zehn internationale Modedesigner beauftragte, das T-Shirt auf ihre Weise neu zu interpretieren. Von der Kollektion "Absolut Label" werden allerdings nur jeweils 150 Stück pro Teil hergestellt und an "Players" der Modewelt verteilt. Das klingt widersinnig, sind T-Shirts doch Massenware per excellence.

Doch auch das ist Teil der Geschichte dieses Kleidungsstücks: In der Hegemonie der T-Shirt-Träger sticht weniger der Hemd- als der Träger des ungewöhnlichsten Shirts hervor. Jener der die Dolce & Gabbana-Extra-Anfertigung mit Swarovski-Steinen trägt oder ein Cordoba-T-Shirt, ein Beckham-Leiberl oder eines der Marke Eigenbau. So bunt können Uniformen sein. (DERSTANDARD/rondo/Stephan Hilpold/3/09/04)