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Lafontaine (Foto) dürfe nicht als "Märtyrer stilisiert" werden, meint SPD-Chef Müntefering.

Foto: AP /Jens Meyer
Berlin - Ein Parteiausschluss-Verfahren gegen den früheren SPD-Chef Oskar Lafontaine hätte nach Ansicht des deutschen Parteienforschers Jürgen Falter derzeit keine Aussicht auf Erfolg. "Nur wenn sich Lafontaine an die Spitze einer linken Gegenpartei setzen sollte, gibt es wirklich einen Ausschlussgrund", sagte Falter dem "Münchner Merkur" (Mittwoch-Ausgabe).

Schröder könne Lafontaine nur ignorieren

Der Ausgang eines Ausschlussverfahrens sei für die SPD-Spitze kaum zu kalkulieren. "Solche Prozesse sind unendlich schwierig, erklärte der Parteienforscher. Mit Blick auf SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte er, ihm bleibe "fast nichts anderes übrig, als Lafontaine zu ignorieren."

Müntefering: Parteiausschluss können Lafontaine zu "Märtyrer stilisieren"

Der sozialdemokratische deutsche Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sprach sich wie zuvor schon SPD-Chef Franz Müntefering klar gegen einen Parteiausschluss Lafontaines aus. "Davon halte ich nichts, er könnte sich sonst noch als Märtyrer stilisieren", sagte Clement der Illustrierten "Bunte". Lafontaine wolle vor allem Schröders Ruf zerstören. "Er wird mit sich selbst nicht fertig und nennt heute Sozialraub, was er noch 1998 als Finanzminister selbst vertreten hat."

Der 1999 als Finanzminister und SPD-Vorsitzende zurückgetretene Lafontaine war am Montag bei einer Demonstration gegen das Hartz IV-Gesetz in Leipzig aufgetreten. Dabei kritisierte er den Reformkurs der rot-grünen Regierung scharf.

Politologe prognostiziert Zukunft der Bedeutungslosigkeit für Montagsdemonstrationen

Der Politologe Everhard Holtmann von der Martin-Luther-Universität Halle geht davon aus, dass die Montagsdemonstrationen schon bald in die Bedeutungslosigkeit versinken könnten. Der "Mitteldeutschen Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe) sagte er, die Organisatoren der Proteste seien in einer "Dilemma-Situation". Verweigerten sie sich der Unterstützung von Parteien oder Organisationen, könnten die Proteste abbröckeln. Öffneten sich die Initiatoren aber für Parteien und Politiker, dann sei das Risiko groß, dass sie die Kontrolle über ihre Ziele verlören.

Falter bezeichnete die Anti-Hartz-Proteste als Beleg für die tiefer werdende Kluft zwischen Ost- und Westdeutschland. "Viele Ostdeutsche wünschen sich einen allumsorgenden Wohlfahrtsstaat, der Wohnung und Arbeit garantiert", sagte er dem "Münchner Merkur". Im Westen hingegen sei klar, dass der Staat nicht alles richten könne. Diese Teilung zu überwinden, sei "eine Sache von mehr als einer Generation". (APA)