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Der Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen versucht, sich sowohl von ÖVP als auch von SPÖ abzugrenzen.

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Wien - Die Grünen wollen einer Regierungsbeteiligung auf Bundesebene "schrittweise näher kommen". Der Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen erklärte beim ersten Sommergespräch des ORF mit Chefredakteur Werner Mück, "wir wollen verdammt noch mal zeigen, wir können das mindestens genauso gut" und "wir sind einfach bereit". Van der Bellen versuchte dabei gleichzeitig, sich sowohl von ÖVP als auch von SPÖ abzugrenzen und die Eigenständigkeit der Grünen zu betonen. Was die Debatte über die Pensionsharmonisierung betrifft, kritisierte der Grünen-Chef die "Heuchelei".

Abgrenzung zu Rot

Zum jüngsten Misstrauensantrag gegen Finanzmininister Karl-Heinz Grasser (V) meinte Van der Bellen, es habe genügend akkumulierte Gründe gegeben, dem SPÖ-Antrag zuzustimmen. Die Telekom-Sache sehe er aber "nicht ganz so wie die SPÖ".

Die Idee an sich, dass die Telekom Austria in ein Arrangement mit der Swiss Com gehe, sei "durchaus interessant" gewesen, "nur wie das ausgegangen ist, das war ein Debakel". Auch dem Argument der Kapitalvernichtung kann Van der Bellen wenig abgewinnen. "Das sind normale Bewegungen an der Börse".

Allerdings sei das Verdacht des Insider-Handels wesentlich ernsthafter zu beurteilen und er hoffe, dass die "Finanzmarktaufsicht mit ihren bescheidenen Möglichkeiten diese Dinge aufdeckt". Was die Ministeranklage gegen Grasser betrifft, die dem Wirtschaftsausschuss zugewiesen wurde, wollte Van der Bellen zunächst nicht sagen, ob er dem SPÖ-Vorhaben zustimmen werde.

Opposition "naturgemäß" oft beisammen

Zum Verhältnis zur SPÖ mehrmals befragt meinte Van der Bellen, "naturgemäß ist die Opposition oft beisammen. Der natürliche Gegner sind ÖVP und FPÖ. Es gibt schon Übereinstimmung". Doch hätten die Grünen andererseits im Gegensatz zur SPÖ auch manchmal mit schwarz-blau gestimmt.

Und darauf angesprochen, ob die Grünen angesichts der Themen Grundsicherung und Homopartnerschaft nicht dort sei, wo sich die SPÖ befinde, antwortete Van der Bellen lapidar: "Oder umgekehrt". Er wolle auch nicht über die SPÖ herziehen, aber "manchmal ist es nicht ganz leicht, sich hier eine Meinung zu bilden". Dabei führte der Grüne Bundessprecher das jünge Wirtschaftsprogramm der SPÖ an, in dem nur Überschriften stünden, aber keine konkreten Details.

Kein Proporz

Sollten die Grünen in die Regierung kommen, würde es jedenfalls keinen Proporz wie zu Zeiten der Großen Koalition oder zuletzt von schwarz-blau geben. "Damals wurde das Land aufgeteilt zwischen rot und schwarz. Jetzt ist es halt zwischen schwarz und blau aufgeteilt. Was ist, hätten wir eine rot-grüne Mehrheit - werden dann die Grünen alle Schwarzen und Blauen rausschmeißen unabhängig von ihrer Qualifikation? Ich finde das nicht. Mich interessiert nicht das Parteibuch. Wennst eine gute Arbeit machst, bleibst", beantwortete sich Van der Bellen die von ihm gestellten Fragen selbst.

Verkehr

Was den Lkw-Verkehr und die Transitproblematik betrifft, geht es Van der Bellen darum, die Zuwachsraten zu beschränken. Vorstellbar ist für den Grünen-Chef, die Vignette zu einer fahrleistungsabhängigen Maßnahme umzuwandeln.

Statt einer Pkw-Maut wäre ein road-pricing denkbar. Den immer wieder kolportierten Konflikt zwischen Umwelt- und Wirtschaftspolitik sieht Van der Bellen differenziert. Es gehe oft auch darum, eigene Techniken zu entwickeln, wie dies Japan in den 70-er Jahren bei Luftreinhaltevorrichtungen gelungen sei. Jedenfalls gebe es weiterhin ein klares Nein der Grünen zur Atomkraft.

Angesprochen darauf, ob die Grünen im Fall einer Regierungspolitik hier Blockadepolitik betreiben würden, sagte der Grünen-Chef: "In der Vergangenheit hat sich die Vetopolitik in aller Regel nicht bewährt".

Türkei-Beitritt

Angesprochen auf einen möglichen EU-Beitritt der Türkei meinte Van der Bellen, die Perspektive Beitritt sollte aufrecht erhalten bleiben. Dies könnte aber auch noch länger als zehn Jahre dauern.

Pensionen

Zur Pensionsdebatte merkte Van der Bellen an, wenn die Regierung unter 45 Jahren echte Beitragsjahre verstehe, "dann werden wir in wenigen Jahren ganz wenige Leute haben, die das Erreichen mit 60. Der müsste mit 15 anfangen, nicht zum Militär oder Zivildienst gehen, als Frau keine Kinder kriegen, keinerlei Ersatzzeiten haben, nie arbeitslos sein. Da sage ich, für diese Leute machen wir einen freien Pensionsantritt mit 60".

Darüber hinaus tritt Van der Bellen für ein Pensionskonto ein, "da wirst Du informiert, was bekommst Du mit 65, mit 60 oder 70 Jahren. Die Pensionsauszahlung soll dann konstant erfolgen. Natürlich kriegt der mit 60 Jahren geht weniger als der mit 68 Jahren geht. Aber das versteht jeder, da bekommt man die Zu- und Abschlagssysteme weg".

Entschieden wandte sich Van der Bellen gegen ein verpflichtendes Sozialjahr. "Es kann nicht so sein, noch so wichtige Aufgaben wie Pflegedienst und Sanitätsdienste durch eine Art moderne Sklaverei zu organisieren". Was das Bundesheer betrifft, müsste bei der Reform am Schluss ein Berufsheer herauskommen. (APA)