"Deutschland bricht das Hitler-Tabu", meint Kate Connolly im konservativen Daily Telegraph. Ein typischer Kommentar zu Oliver Hirschbiegels Hitler-im-Führerbunker-Film Der Untergang (Produktion und Drehbuch: Bernd Eichinger). Britische Kritiker glauben, dass der Streifen einen neuen, weicheren Umgang der Deutschen mit ihrer Geschichte erkennen lässt.

Zum ersten Mal erscheine Adolf Hitler, gespielt von Bruno Ganz, als Hauptfigur, nicht mehr als brüllender Demagoge, als permanent wutschnaubende Hintergrundkulisse, sondern als sanfter Träumer, schreibt Connolly, die Berlin-Korrespondentin des Telegraph. Eichinger präsentiere den Despoten als "onkelhaften Charakter", der "eine Schwäche für Schokoladenkuchen hat, seinen Schäferhund Blondie streichelt und seine Sekretärin mit Zärtlichkeit und Geduld behandelt".

Ein Kinofilm, der Hitlers menschliche Seite zeige, führe zwangsläufig zu Kontroversen in einem Land, das noch immer dabei sei, den Zweiten Weltkrieg zu bewältigen, heißt es beim Rundfunksender BBC. "Vergibt Deutschland Hitler doch noch?", fragt das Boulevardblatt Daily Mail in einer rot auf schwarz gedruckten Schlagzeile. Daneben prangt ein vierfarbiges Bild Hitlers im Braunhemd. Alan Hall, der Berliner Korrespondent, sieht den Endpunkt einer Entwicklung erreicht, die nach seinen Worten begann, als sich die Deutschen "in einer Opferrolle zu suhlen" anfingen, indem sie ihr eigenes Kriegsleid in den Vordergrund rückten. Die Folge sei nun: "Nazi light". (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31. 8. 2004)