Die russisch-
österreichische Volkskundlerin Eugenie Goldstern

Foto: Mandelbaum Verlag
Wien - Die russisch-österreichische Volkskundlerin Eugenie Goldstern (1883-1942) und ihre repräsentative Sammlung von bäuerlichen Objekten aus der Schweiz, aus Österreich, Frankreich und Italien stehen im Mittelpunkt der Ausstellung "Ur-Ethnographie. Auf der Suche nach dem Elementaren in der Kultur", die seit Sonntag (29.8.) im Österreichischen Museum für Volkskunde zu sehen ist.

Biografie

Eugenie Goldstern, 1883 als jüngstes von 14 Kindern eines jüdischen Kaufmanns in Odessa geboren und 1905 vor den Pogromen in ihrer Heimat nach Wien geflüchtet, war eine Pionierin der österreichischen vergleichenden Volkskunde. Auf der Suche nach Relikten "primitiver Kulturstufen" begab sie sich ab 1912 unter anderem in die Rückzugsgebiete der Hochgebirgstäler im Wallis, in Graubünden, in Savoyen, im Münster- und Aostatal. Aus diesen Zeugnissen der Volkskultur versuchte sie, wie die "Ur-Ethnographen" ihrer Zeit, urgeschichtliche "Elementarteilchen" menschlichen Denkens und Handelns zu rekonstruieren.

Dieser heute freilich als Ur-Illusion der Volkskunde gewertete Ansatz war geprägt von den Theorien des Arztes und Ethnopsychologen Adolf Bastian (1826-1905). Bastian folgerte aus der Annahme, dass alle Menschen die gleichen physischen Anlagen haben, das Vorhandensein einer ebenfalls ursprünglichen psychischen Einheit, die er als "Elementargedanken" bezeichnete und anhand derer er glaubte, die bei verschiedenen, auch räumlich weit voneinander entfernten Völkern ähnlich vorkommenden Kulturformen und Glaubensvorstellungen erklären zu können.

Theorie und Moderne

Anhand der von Goldstern gesammelten Relikte alpiner Lebensweisen öffnet die Ausstellung einerseits einen Blick auf die Rolle des "Primitiven" in der Moderne und seinen Einfluss auf Kunst und Gesellschaft und spürt andererseits den theoretischen Ansätzen der frühen Volks- und Völkerkunde nach, die in historische Zusammenhänge gestellt und kulturgeschichtlich eingeordnet werden.

Goldstern überließ dem Wiener Museum für Volkskunde nicht nur ihre rund 800 Objekte umfassende wertvolle Sammlung, die sie in monographischen Abhandlungen wissenschaftlich und fotografisch dokumentiert hatte, sondern unterstützte das Haus auch finanziell. Es wurde ihr nicht gedankt. Für eine jüdische Forscherin war in der Volkskunde, die bereits vor der Zeit des Nationalsozialismus in den Rassismus verfiel, kein Platz. Der damalige Museumsleiter wandte sich von ihr ab, Goldstern wurde im Juni 1942 nach Polen deportiert und im Vernichtungslager Izbica ermordet.

Rahmenprogramm

Im Rahmen des Eröffnungsfests der Ausstellung am Sonntag ab 11 Uhr stehen eine Filmvorführung, die Präsentation von urgeschichtlichen Handwerkstechniken durch Experimentalarchäologen und ein Auftritt der Jodlerin und Sängerin Christina Zurbrügg auf dem Programm. Das Rahmenprogramm zur Schau umfasst u.a. eine Filmreihe über "Leben im Hochgebirge", Vorträge sowie ein Symposium zu Eugenie Goldstern und ihrem wissenschaftlichen Umfeld in der Ethnographie (27.-30.1.). (APA)