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Foto: APA/Jäger
Wien - Der Regisseur und Theaterleiter Hans Gratzer (62) erhält im Rahmen der "Nestroy"-Gala 2004 die Auszeichnung für das Lebenswerk. Das gab die "Nestroy"-Jury bekannt. Die Preise werden am 20. November im Wiener Ronacher überreicht.

Vier Jahrzehnte hat Gratzer die Klein- und Mittelbühnenszene Wiens geprägt, das von ihm gegründete Schauspielhaus in der Porzellangasse war während seiner beiden Direktionszeiten eine der innovativsten Theater-Adressen Wiens. Am Theater in der Josefstadt war ihm dagegen kein Erfolg beschieden: Nach nur wenigen Monaten als Intendant wurde im Jänner 2004 überraschend seine Ablöse beschlossen. Derzeit arbeitet er gemeinsam mit Hanspeter Horner an der Josefstadt-Saisoneröffnung, Brechts "Dreigroschenoper" (Premiere: 16. September).

Werdegang

Hans Gratzer wurde am 16.10.1941 in Wiener Neustadt geboren. Schon nach drei Semestern brach er die Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar ab und gründete 1963 "Das Kammertheater in der Piaristengasse", wo er mit "Das Spiel von Liebe und Zufall" von Marivaux seinen Einstand als Regisseur gab. Danach arbeitete er zunächst vor allem als Schauspieler in Hamburg und München, der Josefstadt, dem Volks- und dem Burgtheater, ehe er 1973 die "Werkstatt" im Theater am Kärntnertor gründete und dort mit seinen Inszenierungen Aufsehen erregte. Die "Werkstatt" wurde mit Aufsehen erregenden Inszenierungen (u.a. "Elisabeth I."), die ihm sowohl den Förderungspreis zur Kainzmedaille als auch später die Kainzmedaille selbst eintrugen, ein Markenzeichen.

Nach der Schließung des Kärntnertortheaters gründete er 1977 das Schauspielhaus, das 1978 eröffnet und bis 1986 von ihm geleitet wurde. Die Arbeit des Regisseurs Hans Gratzer mit zeitgenössischen Autoren ist ein ebenso langes wie wichtiges Kapitel der Wiener Theatergeschichte wie seine Leitungstätigkeit am Wiener Schauspielhaus. Mit pointierten Klassikerinszenierungen, Gegenwartsdramatik und später auch Musical-Produktionen (wie "Rocky Horror Picture Show") wurde das Schauspielhaus eine allererste Theater-Adresse, die weit über Wien hinaus wirkte.

Rückkehr nach Österreich

Nach einem Intermezzo als freier Regisseur in Zürich, München, Berlin und Frankfurt - während der George Tabori das Schauspielhaus als "Der Kreis" führte - kehrte Gratzer 1991 bis 2001 für eine zweite Direktionszeit zurück. Mit einem ausschließlich an Ur- und Erstaufführungen orientierten Konzept wollte er die Bühne als erstrangiges deutschsprachiges Gegenwartstheater positionieren.

Zu seinen größten Erfolgen zählt die Entdeckung des Dramatikers Werner Schwab. Viele Produktionen (rund ein Drittel von ihnen wurde von Gratzer selbst inszeniert) wie etwa "Angels in America" sorgten für Gesprächsstoff und Kritiker-Aufmerksamkeit, mangelnder Publikums-Zuspruch führte jedoch zur allmählichen Hinterfragung des Konzeptes und schließlich zu einer Abschieds-Saison mit Musiktheater-Produktionen im Theaterraum und dem "Autoren-Schaufenster" im kleinen Gassenlokal.

In der Josefstadt

2001 wurde Hans Gratzer als künstlerischer Leiter des Theaters in der Josefstadt ab der Saison 2003/04 bestellt. Mit einem prononciert österreichischen Spielplan und einer Betonung des Positiven wollte er den Spagat zwischen Tradition und Innovation, zwischen der überalterten Abonnentenstruktur der Josefstadt und den Ansprüchen modernen Theaters schaffen. Nach einem wenig erfolgreichen Direktionsstart nahmen die Gesellschafter des Theaters eine Zusage Gratzers, ab 2006 die Bad Hersfelder Festspiele zu leiten, zum Anlass, dem Intendanten das Vertrauen aufzukündigen und Helmuth Lohners Rückkehr zu beschließen. (APA)