Vor rund zehn Jahren wurde das Logbuch eines Offiziers des französischen Sklavenschiffs "Diligent" aufgefunden, eines umgebauten Getreideschiffes, das im Mai 1731 von der bretonischen Küste aus in See gestochen war. Die "Diligent" war nach Afrika gesegelt, hatte dort 256 Sklaven eingekauft, diese wie Kornsäcke unter Deck gepfercht und auf die Insel Martinique gebracht.

Dieses Logbuch kam in die Hände des Historikers Robert Harms, der es bearbeitete und in einen historischen Kontext stellte. So entstand ein bedrückendes Buch über eines der grausamsten Kapitel der Geschichte. Das Buch wurde als bestes historisches Sachbuch 2002 von der American Historical Association ausgezeichnet und liegt jetzt erstmals in deutscher Sprache vor.

Harms hat das Logbuch als eine Richtschnur genommen, um in der distanzierten, manchmal etwas zähen Sprache des Historikers das komplexe politisch-wirtschaftliche System des Sklavenhandels zu erklären. Ein System, an dem die seefahrenden europäischen Staaten ebenso interessiert waren wie die Kolonialherren der Neuen Welt. Er schildert die Rolle der Monopolgesellschaften und Handelshäuser, ihre wechselhafte, teils rivalisierende Politik, die Machenschaften erfolgreicher Händler und den brutalisierenden Einfluss, den diese "Einkaufspolitik" auf die Macht habenden Stammeskönige in Afrika hatte.

Was beim Lesen des manchmal zu weitschweifigen Buches auch erschüttert: In den acht Monaten der Reise kommt kein einziger Logbucheintrag vor, der die Sklaven als Menschen und nicht als Ware gesehen hätte, die möglichst Gewinn bringend auf die Zuckerrohrplantagen von Martinique zu bringen waren. (Johanna Ruzicka/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26. 8. 2004)