Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Reuters/HO

Phoenix/Wien - "Sterben - das ist, wie wenn man bald in Ferien fährt. Ich freue mich unheimlich." Die intensive Auseinandersetzung mit Sterben und Tod hat Elisabeth Kübler-Ross eigenen Aussagen zufolge "die Angst vor der unausweichlichen und dennoch von den meisten Menschen verdrängten" Vergänglichkeit genommen. Die international anerkannten Expertin für Sterbebegleitung ist tot.

Die Schweizer Wissenschafterin und Autorin starb Dienstagabend im Alter von 78 Jahren in ihrem Haus in Scottsale im US-Staat Arizona eines natürlichen Todes. Nach einer Serie von Schlaganfällen war sie seit 1995 gelähmt.

Elisabeth Kübler-Ross hat sich ihr Leben lang mit dem Sterben beschäftigt. Mit 23 Ehrendoktor-Titeln war sie wahrscheinlich die akademisch meist ausgezeichnete Frau der Welt. Ihr Engagement als Ärztin, Wissenschafterin und Autorin hat nach eigenem Bekunden "das Sterben aus der Toilette geholt" und Sterbebegleitung überhaupt erst zum Thema gemacht.

Ihren Kampf gegen die Tabuisierung des Todes in der westlichen Welt war immer auch ein Kampf gegen Autoritäten. Nicht zuletzt in der Konfrontation mit dem engen Weltbild der Schulmedizin sowie durch ihre unzähligen Kontakte zu Menschen mit Nah-Tod-Erfahrungen durchbrach Elisabeth Kübler-Ross zahlreiche Grenzen. Gerade die besondere Berücksichtigung von Nah-Tod-Erlebnissen lenkte die Aufmerksamkeit der Frau immer mehr in spirituelle, später auch esoterische Richtung - was ihr Kritik, oft genug auch Hohn und Spott der Fachwelt einbrachte. Ihre Leistungen um die Enttabuisierung des Sterbens bleiben aber unbestritten. Besonders ihre Studien über den "phasenweise Abschied vom Leben": Der Sterbeprozess verläuft nicht linear, sondern in mehreren verschiedenen Schritten, in denen die Menschen unterschiedliche Phasen durchlaufen.

Zuerst jene des "Verleugnens". Der Mensch reagiert mit Ablehnung des Schicksals. Innerlich steht er unter Schock, lässt aber sein Umfeld nicht an sich heran. Dem folgen "Neid und Zorn". Der Sterbende, selbst depressiv, entlädt seine Aggressionen auf seine Umwelt. Er macht alle anderen für sein Schicksal verantwortlich. "Verhandeln mit Gott und den Ärzten" ist die nächste Phase. Vonseiten des Sterbenden werden Zugeständnisse gemacht. Er verspricht alles Mögliche, um dem Tod zu entrinnen, klammert er sich an jeden Strohhalm. Er vertraut und hofft auf neue Therapien, religiöse und spirituelle Möglichkeiten.

Schicksal annehmen

"Depressionen,Vergangenheit und Zukunft" ist die nächste Phase. Der Sterbende blickt auf sein Leben zurück, erinnert sich an schöne Momente. Er hat Angst, verlangt nicht selten aktive Sterbehilfe. Die "Akzeptierungsphase" ist die letzte. Der Sterbende nimmt sein Schicksal an, verteilt sein Erbe. Und stirbt.

Elisabeth Kübler-Ross wurde am 8. Juli 1926 in Zürich geboren. Mit ihren Drillingsschwestern Erika und Eva wuchs sie in einer protestantischen Kaufmannsfamilie auf, die sie nicht auf ein Gymnasium gehen ließ. Während ihrer Zeit als Laborantin am Zürcher Kantonsspital machte sie die Matura nach und finanzierte ihr Medizinstudium durch Nachtarbeit. Sie promovierte 1957. Ein Jahr später heiratete sie den Arzt Emanuel Robert Ross. Mit ihm emigrierte sie in die USA.

Ihre etwa zwanzig Bücher wurden in millionenfacher Auflage in zwanzig Sprachen gedruckt. Weltberühmt wurde sie 1969 durch ihr Buch "Interviews mit Sterbenden" (derzeit vergriffen) . Auf ihre Initiative hin wurden in den USA die ersten "Hospices" eingerichtet, in denen Sterbenskranke bis zu ihrem Tod gepflegt werden. Diesen spendete sie auch den spirituellen Trost: "Den Tod gibt es eigentlich nicht." (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26. 8. 2004)