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Kanzler Schüssel will der rot-grüne Geschenkkorb nicht so recht gefallen.

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Der Pawlow'sche Reflex ist nichts dagegen. Ist die Inkompetenz der Regierung bei ihrer Lieblingsbeschäftigung, der Privatisierung von Staatseigentum, nicht mehr zu verheimlichen, können die diesbezüglichen Aktivitäten von Bundeskanzler und Finanzminister nicht einmal mehr von verbohrtesten Neoliberalen dieses Landes beschönigt werden, dann wird wie auf Knopfdruck zum Angriff geblasen – gegen Rot-Grün.

Der politische Instinkt, der dazu antreibt, ist unverdorben: Wenn die schwarz- blaue Koalition keine Mehrheit mehr hat, muss eben zu jener Waffe gegriffen werden, mit der sich Schüssel I schon einmal über die Runden gerettet hat.

Es gilt, dem Volk die Alternative einzubläuen: Schwarz- Blau – oder Österreich geht im rot-grünen Chaos unter! Allenfalls könnte es unter Schwarz-Grün noch einmal davonkommen.

Selbst wenn Wolfgang Schüssel entschlossen ist, sich und dem Land die FPÖ bis zum letzten Tag dieser Legislaturperiode anzutun, kurbelt der stotternde Fortgang der Regierungsgeschäfte den Wahlkampf an.

Die Erzeugung von Hysterie angesichts einer möglichen rot-grünen Koalition wäre auf jeden Fall die schrillste Parole der Volkspartei im Kampf ums Kanzleramt geworden. Sie hat nichts, was für Angstparolen empfängliche Gemüter wirksamer zu elektoralen Wiederholungstätern hinbiegen könnte.

Nun wird mit dem Verschießen des Pulvers schon etwas früher begonnen, was keine Rolle spielt, da man nicht fürchten muss, es könnte bis zu den Wahlen, wann immer sie stattfinden, an Nachschub fehlen. Und wenn Schüssel und Khol, Bartenstein und Gehrer es – noch – nicht persönlich machen müssen, kann die Sache an Glaubwürdigkeit nur gewinnen.

Längst gibt es bloß noch eine Partei, die in Treue fest, wenn auch in Treuebekenntnissen schwankend, zum schwarz-blauen Regierungsprojekt steht, und das ist – aus Mangel an Alternativen, aus nacktem Überlebenswillen und Sehnsucht nach Versorgung – die FPÖ.

Selbst wenn sie ihre Rolle als Mehrheitsbeschaffer für den christlichsozialen Partner erfüllen könnte, was derzeit niemand glaubt, wird sie nur noch dessen zweite Wahl sein, sobald die Grünen dieselbe Voraussetzung erfüllen. Wenn sie endlich salonfähig werden und neoliberal weiterregieren kann – warum sollte die Volkspartei die Chance nicht wahrnehmen, die Haider-Partie loszuwerden?

"Wenn das, was in der schwarz- blauen Regierung passiert, auch nach der Wahl Linie ist, dann vergiss Schwarz- Grün", hat Grünen-Chef Alexander Van der Bellen erst dieser Tage in einem Interview gesagt.

Dass dann vieles davon eben nicht mehr passiert, soll seine Partei nach den Vorstellungen der ÖVP garantieren: Kein Platzen bereits ausgehandelter Vereinbarungen, Schluss mit dem Biertischpopulismus, nicht nur bedingt handlungsfähige Minister, keine peinlichen Auftritte des Parteichefs im Ausland etc.

Ein wenig wird es wohl aber auch darauf ankommen, wie weit sich die ÖVP den inhaltlichen und stilistischen Vorstellungen der Grünen anzunähern bereit wäre, damit Schwarz- Grün nicht vergessen werden kann.

Das von nun an anschwellende apotropäische Gezeter gegen Rot-Grün soll auch den regierungssüchtigen Grünen Angst vor einer solchen Koalition einjagen und sie von ihr abhalten, das heißt, ihren politischen Spielraum einengen und sie an die ÖVP binden. Und es soll vor allem die SPÖ von der Regierung – mangels Partners – auch dann fern gehalten werden, wenn sie stärkste Partei werden sollte.

Selbst wenn sie nicht im entferntesten daran dächten, nach der nächsten Wahl eine Koalition einzugehen, müssen sich Rote wie Grüne gegen diese Genmanipulation an der paläokonservativen "Roten Katze" hin zu einer rot-grünen etwas einfallen lassen. Schon aus demokratiepolitischen Gründen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.8.2004)