Auf den ersten Blick überrascht es, dass die Länderorganisationen der ÖVP sich in der Frage der Gleichstellung homosexueller mit heterosexuellen Partnerschaften weltoffener zeigen als die Bundespartei. Da wird jetzt quer durch das Land aufgenommen, was in einer lauen Stunde scheinbar unbedacht der Folgen in der Steiermark ausgebrütet wurde, und so lebhaft diskutiert, dass das Echo bald den verschwiegensten Winkel des Kanzleramtes erreichen dürfte.

Bis auf die Vorarlberger ÖVP schwenken alle schwarzen Landesparteien auf einen Kurs ein, der meilenweit neben dem Fahrwasser zu verlaufen scheint, in dem die ÖVP ihre Familien- und Partnerschaftsmodelle segeln lässt. Wenn sogar der Landeshauptmann der stockkonservativen Zitadelle Tirol in einer eingetragenen Partnerschaft für Homosexuelle kein Problem sieht, scheint ein Umschwenken der Bundespartei nur noch eine Frage der Zeit zu sein, möchte man meinen.

Auf den zweiten Blick entpuppt sich der Gesinnungswandel in den Ländern als etwas fadenscheinig, nimmt er doch nur vorweg, was mittelfristig nicht zu verhindern sein wird. Wie die VertreterInnen der Homosexuellenverbände schon seit längerem betonen, wird auch Österreich - Landesvolksparteien hin, Bundesvolkspartei her - über kurz oder lang das Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte umsetzen müssen, das die rechtliche Ungleichbehandlung homosexueller Partnerschaften als Verstoß gegen die Menschenrechte wertet und die EU-Mitgliedsstaaten auffordert, diese aufzuheben.

Die schwarzen Landesparteien haben also bloß rascher erkannt, dass es klüger ist, aktiv vorwegzunehmen, was ohnehin nicht aufzuhalten ist. Möglicherweise ist es den StrategInnen der Bundespartei nicht unrecht, das der Ball in der Provinz aufgenommen und nach Wien weitergespielt wurde. Man darf gespannt sein, wie der Pass hier aufgenommen wird. Denn während selbst die katholischen Verbände für die Gleichstellung Homosexueller im Miet- und Erbrecht sowie bei der Pflegefreistellung und Tirols Landeshauptmann Herwig van Staa schon an ein Pensions-und Krankenversicherungssplittin sowohl für homo- als auch heterosexuelle Paare denkt, stellen sich bei der Gleichstellung mit der Hetero-Ehe allen Schwarzen die Haare auf. Da hört sich bei der ÖVP, ebenfalls quer durchs Land, das Verständnis auf.

Die heterosexuelle Ehe ist und bleibt der ÖVP heilig, sie hat der Kinderproduktion und -aufzucht zu dienen, sie ist der Kern ihres idealen Staatsmodells, ungeachtet der gesellschaftlichen Realität, in der sich Familien längst in unendlich vielfältigeren Patchworkmodellen organisieren - ironischerweise gerade in den sozialen Schichten, die sich diese finanziell aufwändige Organisation auch leisten können und die von der ÖVP gern als ihre ureigenste Klientel umworben werden.

Dass sich die ÖVP gerade hier verschweigt und einer Öffnung verwehrt, bezeichnet ihre immanente argumentative Scheinheiligkeit deutlicher als die Ablehnung der Homosexuellen-Ehe durch die katholischen Verbände, deren Begründung wenigstens ein offenes Bekenntnis zur Homophobie ist: Schwule Partnerschaften "widersprechen dem kommunikativen und dialogischen Wesen des Menschen", stellte ihr Chef Josef Zemanek neulich unmissverständlich fest. Ja, reden denn die Homosexuellen nicht miteinander?

Daher habe, und darin sind sich wieder alle in der ÖVP einig, die Adoption Heterosexuellen vorbehalten zu bleiben, die allein offenbar imstande sind, Kindern eine angemessene kommunikative Ausstattung auf den Lebensweg mitzugeben. Die empirische Überprüfung solcher Thesen böte Stoff für mehrere kulturwissenschaftliche Forschungsarbeiten. Ob sie vom Bildungsministerium ein Stipendium erhalten würden, steht aus verschiedenen Gründen auf einem ganz anderen Blatt - die leeren Staatskassen wären in diesem Fall ein Vorwand, wie so vieles in dieser Diskussion. (Samo Kobenter, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 24.8.2004)