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Die SPÖ fordert den Rücktritt Grassers und eine Volksabstimmung zum Stopp der Privatisierungen.

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Wien – Der Kursverlauf der Telekom-Aktie kennt derzeit nur eine Richtung: abwärts. Auch am Freitag verlor das Wiener Indexschwergewicht deutlich an Börsenwert, wenn auch das Minus von mehr als drei Prozent (auf rund elf Euro) im Vergleich zu den minus 20 Prozent vom Donnerstag fast schon beruhigend wirkte.

Auch Finanzminister Karl-Heinz Grasser tut alles, um die Situation zu beruhigen. Inoffiziell ist im Finanzministerium von einem dringenden "Neubeginn" die Rede, womit der Wunsch gemeint ist, dass der vierköpfige Telekom-Vorstand um Heinz Sundt abgelöst werden soll.

"Signal der Stabilität"

Offiziell sagt Grasser, man müsse "jetzt ein Signal der Sicherheit und Stabilität geben". Ohne vom Ziel der Totalprivatisierung abzugehen, solle die Republik nach der geplanten Börsenplatzierung von 17 Prozent Telekom-Aktien aus ÖIAG-Besitz die dann verbleibenden 25 Prozent vorläufig behalten. Später wolle er "dann sehen, findet man einen geeigneten strategischen Partner oder nicht", so Grasser.

Solch ein Partner ist nach dem Platzen des Deals mit der Swisscom aber weit und breit nicht mehr in Sicht, sagt BA-CA-Chefanalyst Alfred Reisenberger. Er glaubt, dass die weiteren 17 Prozent der ÖIAG an der Telekom erst im ersten Quartal 2005 an die Börse kommen werden. Aber nur für institutionelle Investoren, nicht für den einst so umworbenen Volksaktionär, wie die ÖIAG bestätigt.

Die Belegschaftsvertreter sind stinksauer, dass die ÖIAG-Aufsichtsratssitzung am Sonntag abgesagt wurde. Die Vorstände hätten die wichtigsten Punkte – die nötige Änderung des Poststruktur- und ÖIAG-Gesetzes – nicht mitbedacht, beziehungsweise seien die Änderungen von Grasser nicht garantierbar gewesen. Deshalb sei der Swisscom-Deal letztlich geplatzt.

25 Prozent Buchwert

"Mit einem Schlag wurden 25 Prozent der gesamten Buchwerte der ÖIAG an einem Tag vernichtet. Da gebe es Themen genug, die man im Aufsichtsrat besprechen könnte", sagte ein ÖIAG-Aufsichtsrat zum STANDARD.

Die Telekom-Betriebsräte wollen am Dienstag Betriebsversammlungen abhalten. TA- Betriebsratschef Michael Kolek: "Es ist erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit der 100-Prozent-Privatisierer Grasser jetzt sein eigenes Kind verleugnet und mit faulen Ausreden das Weite sucht." Die SPÖ fordert die Abberufung des ÖIAG-Vorstandes, den Rücktritt Grassers und eine Volksabstimmung zum Stopp der Privatisierungen.

Schaden für Anleger

Am Freitag wurde obendrein bekannt, dass durch die verspätete Handelsaussetzung von Telekom-Austria-Aktien am Donnerstag nach dem Bekanntwerden des geplatzten Swisscom-Deals für zahlreiche Anleger ein enormer Schaden entstanden ist.

In Summe geht es um Kursverluste deutlich über einer Mio. Euro, die den Anlegern dadurch entstanden sind, dass an der Wiener Börse nicht vor Bekanntgabe des Scheiterns der Handel mit diesen Titeln unterbrochen wurde.

Die ÖIAG erklärte dazu, sie habe Medien, Wiener Börse und die Telekom gleichzeitig über das Scheitern der Verhandlungen informiert. Die Börse kritisiert allerdings, sie sei "nicht vorab" von der ÖIAG informiert worden. (Michael Bachner, Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22.8.2004)