Wien - Die Zahl der mit behinderten Arbeitnehmern besetzten Pflichtstellen hat sich in den vergangenen Jahren nicht verbessert. Eigentlich müsste jeder Arbeitgeber für je 25 Mitarbeiter einen Behinderten einstellen. Diese Einstellungspflicht wird aber nur zu rund 65 Prozent erfüllt. Auch die öffentliche Hand geht nicht mit bestem Beispiel voran: Von 7.066 Pflichtstellen beim Bund sind 1.650 unbesetzt.

Pflicht seit 1969

Die Einstellungspflicht besteht seit 1969. Seit 1997 liegt die Quote nahezu unverändert bei 64 Prozent. Lediglich von 2001 auf 2003 gab es einen leichten Rückgang auf 63,1 Prozent, der 2003 aber wieder ausgeglichen wurde (65 Prozent). Damit sind von 83.000 Pflichtstellen im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft derzeit 28.400 nicht besetzt.

Von den Ministerien mit großem Personalstand erfüllt lediglich das Finanzressort seine "Behindertenquote". Die Ministerien für Bildung, Justiz, Verteidigung und Inneres haben dagegen um mehr als 1.900 behinderte Mitarbeiter zu wenig, wie aus einer Anfrageserie der Grünen Abgeordneten Theresia Haidlmayr hervor geht.

Keine Zahlen für 2004

Deutlich übererfüllt wird die Quote neben dem Finanzministerium vom Sozial-, dem Wirtschafts-, dem Gesundheitsministerium und vom Bundeskanzleramt. Alle Zahlen sind Stand Ende 2003. Zahlen für heuer gibt es noch nicht, weil die Strafzahlungen für Nicht-Erfüllung ("Ausgleichstaxen") erst im Folgejahr vorgeschrieben werden.

Bei den Bundesländern wird die Quote lediglich von der Steiermark, Kärnten und Oberösterreich erfüllt. Die anderen Länder zahlen die Ausgleichstaxe für insgesamt mehr als 2.000 nicht besetzte Planstellen. Am größten ist der Rückstand in Wien (855), Tirol (399) und Niederösterreich (395).

Auch zahlreiche Privatunternehmen bezahlen lieber, anstatt behinderte Arbeitnehmer zu beschäftigen: So liegt etwa die Bank Austria-Creditanstalt um 177 unter ihrem Sollwert von 487 behinderten Mitarbeitern. Negativer Spitzenreiter im Bankenbereich sind die Raiffeisenkassen mit einem Minus von 211.

Die Erhöhung der Ausgleichstaxe im Jahr 2001 von monatlich 150 auf 196 Euro pro nicht besetzter Stelle konnte die mangelnde Einstellungsdisziplin nicht wesentlich verbessern. Immerhin stiegen dadurch aber die Einnahmen aus den Strafzahlungen von 53,7 Mio. Euro im Jahr 2000 auf 67,4 Mio. Euro 2003 (vorläufige Zahlen). Das Geld wird in Förderungen investiert (z.B. in Lohnkostenzuschüsse für behinderte Arbeitnehmer).

Grüne fordern Anhebung der Strafgebühr

Die Grüne Behindertensprecherin Theresia Haidlmayr fordert nun eine empfindliche Erhöhung der Strafzahlungen auf das durchschnittliche Lohnniveau der Unternehmen: "Es kann sich nur etwas ändern, wenn man bereit ist, die Ausgleichstaxen entsprechend anzuheben." Außerdem will sie erreichen, dass Bund, Ländern und staatsnahen Unternehmen der "Freikauf" verboten wird. Dass sich durch das kürzlich in Begutachtung geschickte Behindertengleichstellungsgesetz etwas ändern könnte, glaubt sie nicht. Dazu sei das Gesetz "zu schwach".

Haidlmayr hofft, dass die im Juli getroffene Absichtserklärung aller Vier-Parteien zur Entschärfung des Berufsverbots für behinderte Menschen im Pflichtschulbereich auch tatsächlich umgesetzt wird. Derzeit dürfen Behinderte im Pflichtschulbereich nämlich nicht arbeiten, an den pädagogischen Akademien können sie kein Lehramtszeugnis erwerben. Damit sei es nicht einmal möglich, dass gehörlose Kinder von einem gehörlosen Lehrer unterrichtet werden, kritisiert Haidlmayr.

Minus im Lehrerbereich

Im Büro der Wiener Personallandesrätin Sonja Wehsely (S) verweist man darauf, dass Wien die Quote im Bereich der engeren Hoheitsverwaltung erfülle. Unterschritten werde sie bei Landeslehrern, Hausbesorgern und Stadtwerken. Hier sei es auf Grund der spezifischen Job-Anforderungen aber oft nicht möglich, die Quote zu erfüllen.

Ähnlich auch die Argumentation des Bildungsministeriums, mit über 34.000 Mitarbeitern größter Bundes-Dienstgeber: In der allgemeinen Verwaltung werde die Behindertenquote erfüllt, das Minus komme aus dem Lehrerbereich. Es sei beispielsweise schwierig, einen Gehörgeschädigten als Lehrer anzustellen. In der Verwaltung sei dies leichter möglich.

Das Sozialministerium betont, dass die Einstellungsdisziplin im öffentlichen Dienst höher sei als in der Privatwirtschaft. Eine detaillierte Aufschlüsselung gibt es allerdings nicht. Vom Behindertengleichstellungsgesetz erwartet man sich im Sozialministerium zumindest eine "Bewusstseinsänderung". (APA)