Allen Landsleuten, die Politiker für überwiegend am eigenen Wohlergehen interessierte Sozialschmarotzer halten, dürfte "Format", wenn schon nicht die Augen geöffnet, so doch Befriedigung verschafft haben: Wenigstens geht es der politischen Kaste bei dem, was sie tut, gar nicht gut, genau gesagt hundsmiserabel, behauptet das Magazin, gestützt auf eine Exklusiv-Studie, die sich auf die Selbsteinschätzung von Politikern stützt. Danach leiden Österreichs Abgeordnete unter ihrem Job, jeder Zweite hat fast täglich starke Schmerzen, im Rücken, im Kopf, oder auch im Magen-Darm-Trakt. Bang fragt das Blatt: Österreichs Nationalrat - ein Lazarett? und spricht gar vom Albtraumberuf Politiker.

So geben über sechzig Prozent der befragten Abgeordneten an, massive Anzeichen des Burnoutsyndroms zu verspüren. Diesem Durchschnittswert ist aber nicht zu trauen. So sind "die Mitglieder von Regierungsparteien sogar stärker burnout-gefährdet als Oppositionspolitiker". Aber nicht generell. Obwohl in Opposition sind die grünen Abgeordneten mit 82,4 Prozent am meisten gefährdet. Umgekehrt: Am besten mit dem täglichen Druck umgehen können - obwohl Regierungspartei - die Freiheitlichen. Von ihnen fühlen sich nur 28,6 Prozent ausgebrannt.

Die Studie erbringt somit - politikwissenschaftlich interessant - den Nachweis, dass es am bekömmlichsten ist, innerhalb der Regierung Opposition zu spielen. Zwar kommt auf die Regierungsparteien deutlich mehr Arbeit zu als auf die Opposition, glaubt der Erforscher ausgebrannter Politiker, dafür ist die Leistungsmotivation besser als bei der Opposition. Wichtig ist dabei, die Fähigkeit zur Motivation von der Leistung zu trennen.

Wie Politiker ihren Stress verarbeiten? "Viele haben Alkoholprobleme", meint ein grüner Abgeordneter. Aber darüber gibt die Studie der Uni Wien keine klare Auskunft. Das ist kein Schaden, denn umso klarer war die Auskunft, die Marga Swoboda Sonntag in der bunten "Krone" gab. Ausgebrannt und zugemüllt. Es ist die modernste Krankheit der Welt. Sie hat einen modischen Namen: "Burnoutsyndrom". Die Symptome: So müde. So schlapp. Null Bock auf irgendwas. Totale Überforderung. Lebenskrise. Eine Krankheit wie schleichendes Gift. Prognose: Schlecht. Irgendwann geht gar nichts mehr.

Besser lässt sich die Ausgebranntheit unserer Pensions-und Gesundheitsreformer nicht beschreiben. Ehrlich: Wurmstichige Äpfel würden wir nie kaufen. Aber, im ganzen Leben ist der Wurm drin. Betäubungsmittel gegen die Zeichen der Krankheit: Die Zigaretten. Der Alkohol. Das Junk-Food. Die Trägheit. Doch Marga Swoboda wäre nicht Kolumnistin in der "Krone", hätte sie nicht ein Wurmmittel für die Ausgebrannten aller Parteien parat.

Wie würde das Leben wirklich schmecken? Sie verrät es gern. Das Leben schmeckt nach frisch beregnetem Gras. Nach der Rinde des Baumes und dem feuchten feinen Holz der Äste. Es ist grün, millionenfach schattiert. Es ist erdig; die Füße nehmen die Signale der Erde auf.

Und auch die Nutzanwendung für die politische Praxis fehlt nicht. Sollen gar die Füße der Abgeordneten statt der Signale ihres Klubobmannes nun die Signale der Erde aufnehmen? Österreichs Parlament - kein Lazarett, sondern ein millionenfach schattierter Komposthaufen? Erstaunliche Erkenntnis: Die Wiese, die Bäume, das Wasser, der Himmel entgiften nicht nur das Gemüt, sondern auch den Körper. Merkwürdig, dass gerade die Grünen das nicht wissen.

Versagen sie auf ihrem ureigenstem Gebiet, so weisen die Signale der Frau Swoboda zarten politischen Seelen den Weg aus den Brandruinen ihrer Körper: Du gehst nur hinaus und machst dich frei. Du gibst dem Bruder Baum einen Kuss und lässt dich überschwemmen von Grün.

Allein die Vorstellung, wie Andreas Khol Bruder Baum einen Kuss gibt und sich dabei von Grün überschwemmen lässt, während seine Füße die Signale der Erde statt die seines Parteiobmannes aufnehmen, sollte die starken Schmerzen im Magen-Darm-Trakt vieler Abgeordneter lindern. Hinaus, Herr Nationalratspräsident! Sehen, fühlen, schmecken, riechen. Schleichendes schlafendes Gift entsorgen. Den Körper hören, den Körper sprechen lassen. Zunächst ist das gewiss nicht leicht, das weiß auch Frau Swoboda. Au, das tut weh, am Anfang. Oh, das ist schön. Wenn das Gift sich schleicht. Wenn das Leben wieder nach Leben schmeckt. Wenn der Körper wieder weiß, was er ist: ein Kraftwerk, ein Wunder.

Kein Wunder hingegen, dass für dieses Feuilleton schon wieder ein "Krone"-Herausgeberpreis vergeben wurde. Hans Dichands Gespür für Kitsch ist untrüglich, erhielt doch am selben Tag auch Karl-Heinz Grasser wieder einmal seinen Lohn in Gestalt eines Titelfotos - Der Minister und das tapfere Kind - und einer ganzen Seite, weil er endlich aus seinem Sozialfonds 10.000 Euro springen ließ. Die "Krone" war sicherheitshalber dabei. Sonst glaubt es ja doch keiner. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.8.2004)