Ausgerechnet das ferne China hat Anteil daran, dass das Grundlagenwerk der deutschen Sprache jetzt in digitaler Form vorliegt. In Nanjing wurde das "Deutsche Wörterbuch" der Gebrüder Grimm von einer Gruppe chinesischer Gymnasiasten per Hand in den Computer eingetippt. Sämtliche 300 Millionen gedruckte Zeichen - die Originalausgabe des Wörterbuchs hat 32 Bände -, und sogar gleich zwei Mal. Das Team aus Informatikern und Germanisten an der Universität Trier, das seit 1998 mit dem digitalen Großvorhaben betraut ist, wollte damit die Fehlerquote so klein wie möglich halten. Durch den automatischen Abgleich beider eingegebener Versionen sollten Fehler sofort erkannt werden.

Nach der anschließenden Überarbeitung in Trier unter Professor Kurt Gärtner ist der "digitale Grimm" jetzt bei Zweitausendeins in Frankfurt/Main in der Form von zwei CD-ROMs plus Begleithandbuch erschienen. Nach Ansicht des Verlags liegt damit ein neuer Standard in der Sprachforschung vor: Die elektronische Version sei auch um eindeutige Druckfehler im Deutschen bereinigt worden.

Das Wörterbuch, das Generationen von Philologen beschäftigt hat, wurde von den Gebrüdern Grimm im Jahr 1837 begonnen. Damals waren die aus Hanau stammenden Professoren in Göttingen von ihrem Brotherrn entlassen worden, weil sie zusammen mit fünf Kollegen gegen den Verfassungsbruch des neuen Königs von Hannover protestiert hatten. Plötzlich erinnerten sie sich wieder an ein Angebot der Verleger Reimer und Hirzel, ein umfassendes Wörterbuch zu schreiben.

Das Projekt der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, die vor allem mit ihrer Märchensammlung berühmt wurden, blieb bis an ihr Lebensende unvollendet. Erst 1961 - fast 150 Jahre später - wurde das im Original 84 Kilo schwere Werk fertig gestellt. Das Lexikon geht nicht nur detailliert der Herkunft auch von mundartlichen und vergessenen Ausdrücken nach. Der Leser erfährt außerdem zum Beispiel, dass das Wort Absonderling zum ersten Mal bei Grimmelshausen auftaucht.

Seit zwei Jahren steht das digitale Wörterbuch kostenlos im Internet zur Verfügung - mit täglich 50.000 bis 60.000 Zugriffen. "Die CD-ROMs bieten allerdings noch viel ausgefeiltere Recherchemöglichkeiten", sagt Gärtner.

Die elektronische Eingabe in China hatte nach Ansicht der Trierer Forscher neben den geringeren Kosten auch noch einen anderen Vorteil: Da die 15 chinesischen Datentypisten sich eineinhalb Jahre lang ganz auf die Form der Buchstaben konzentrierten, schlichen sich auch keine "Pseudoverbesserungen" ein. Muttersprachler hätten womöglich unwillkürlich zum Beispiel aus dem mittelhochdeutschen "frouwe" das Wort "frauwe" werden lassen, glauben die Wissenschaftler. (APA)