In emotionalen Ausnahmesituationen kann es durchaus Sinn machen, wenn der Arzt ein Beruhigungsmittel verabreicht. Und in einer Ausnahmesituation befinden sich zumindest die Geheimdienste seit den Anschlägen von New York und Washington. Einerseits wegen des Vorwurfs, die Terrorakte nicht verhindert zu haben, andererseits wegen der Angst, auch künftige Gefahren zu ignorieren.

In Österreich werden 80 Prozent der Ressourcen des Verfassungsschutzes derzeit zur Terrorabwehr eingesetzt. Offenbar mit Erfolg: Italienischen Kollegen konnten Tipps gegeben werden, die zur Aushebung einer Extremistengruppe führten, und hierzulande wurde bei einer Hausdurchsuchung der Lageplan einer Wiener Botschaft entdeckt, auf dem Sicherheitslücken verzeichnet waren, wie Behördenleiter Gert Polli verriet.

Umso eigenartiger mutet es an, wenn im Verfassungsschutzbericht dann zu lesen steht, dass "weder Vorbereitungstätigkeiten für terroristische Anschläge noch logistische Unterstützung für solche" registriert wurden. Ebenso seltsam, wenn den Staatsschützer nur 27 rechtsextremistische Schmierereien in ganz Österreich auffallen, wenn alleine in Wien von privaten Gruppen 29 gemeldet worden sind.

Es liegt natürlich in der Natur der Sache, dass Geheimdienste nicht wöchentlich Pressemitteilungen aussenden, sind ihre Ermittlungen doch langfristig angelegt. Ebenso selbstverständlich können sich die Geheimen nicht persönlich um jedes Hakenkreuz auf einer Parkbank kümmern. Aber im Interesse der Öffentlichkeit und der Politiker, für die der Verfassungsschutzbericht ja geschrieben wird, kann man verlangen, dass sich dort tatsächlich alle relevanten Vorfälle und Zahlen finden. Denn sonst ist er nicht mehr als ein Beruhigungsmittel. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.7.2004)