Die meisten Österreicher werden beim Namen "Nielsen" am ehesten an das dänische Supermodel mit Vornamen Brigitte denken (die große Blonde, die mit Sylvester Stallone verbandelt war). Oder an "Herr Nielsson", wie die entzückende Pippi Langstrumpf ihren Affen rief.

Der Däne Poul Nielson hingegen dürfte kaum jemand ein Begriff sein. Das ist der seit fünf Jahren zuständige EU- Kommissar für Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe. Chris Patten wird vertrauter klingen: Was der britische EU- Außenkommissar aber genau macht, wenn er nicht gerade an der Seite des informellen "Außenministers" Javier Solana oder des EU-Kommissionspräsidenten auftritt, ist wohl schon etwas für Spezialisten.

Das ist der Rahmen, in den man die Nominierung von Außenministerin Benita Ferrero- Waldner zur künftigen EU- Kommissarin stellen muss - mit zwei Fragen: Was wird sie machen? Und welche Bedeutung hat das für Österreich?

Da kommt man auch an Franz Fischler nicht vorbei. Als exzellenter Stratege und Herr über fast die Hälfte des EU-Budgets ist der Agrarkommissar der einflussreichste österreichische Politiker in der Welt. Ein Schwergewicht. Gedankt hat ihm das in der "Heimat" seit Jahren kaum einer, eher im Gegenteil. Die Regierungs-FPÖ sprach sogar vom "Verräter" (nicht zufällig, weil er auch in "Sanktionszeiten" im Hintergrund viel für Österreichs Image getan hat, durch klare Abgrenzungen von vielen Jörg-Haider-Eskapaden).

Die Außenministerin wird Fischlers Bedeutung nie erlangen können. Das liegt weniger an ihr selbst, sondern daran, dass die wirklich gewichtigen Ressorts - Wettbewerbspolitik, Wirtschaft- und Währung, Regionalpolitik, Landwirtschaft - an Vertreter aus anderen EU-Staaten vergeben werden. Wien hat sich darum offenbar gar nicht bemüht. Ferrero-Waldner ist fern von wichtigen Entscheidungen.

Das steht realpolitisch fest, auch wenn die präzise Kompetenzzuteilung durch den neuen Kommissionschef José Manuel Barroso noch aussteht. Das ganze Gerede von "unserer Löwin", die in der EU-Hauptstadt vor allem Österreich vertreten soll, ist nichts als billiger Kitsch. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat angedeutet, was Ferrero- Waldner tun wird: ihrer Erfahrung gemäß im Bereich Außenbeziehungen arbeiten. Das kann maximal heißen: Barroso teilt ihr die Verantwortung für den Balkan und die nächste EU-Erweiterungsrunde zu, oder gibt ihr das Patten-Dossier allgemeine Außenpolitik.

Für die iberophile Ferrero- Waldner sachlich spannend, aber öffentlich schon weniger "sexy" wäre eine Zuständigkeit für Mittelmeerpolitik; oder humanitäre Hilfe und Entwicklungspolitik.

In allen Fällen gilt: Gemeinsame EU-Außenpolitik ist nicht viel mehr als eine schöne Absichtserklärung, nach wie vor "Chefsache". Wie Europa sich außenpolitisch verhält (beziehungsweise zersplittert bleibt), wird allemal in Paris, London und Berlin entschieden, nicht in Brüssel.

Ab 2006 soll Solana auch offiziell als EU-Außenminister eine Richtungsänderung herbeiführen, gestärkt durch einen geplanten "europäischen Präsidenten" (ab 2008). Ferrero-Waldner wird also an einem interessanten Projekt teilnehmen. Aber der Wechsel bedeutet Abstieg in die "zweite politische Garnitur". Auch wenn Ferrero-Waldner sich als nicht krisenfest erwies, gegenüber dem Kanzler kaum Profil entwickelte, wird oft unterschätzt, dass sie sich lange in der absoluten Spitzenebene der europäischen Politik bewegte: voll eingebunden in den Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs, das allmächtige Entscheidungszentrum. Kein Mitglied der künftigen Kommission verfügt über so lange direkte EU-Erfahrung wie sie, die als eine Art "Elder Stateswoman" kommt. Ihr Chef Barroso ist daneben fast ein Frischling.

Dennoch: Ferrero-Waldner muss sich gewaltig umstellen, auf unspektakuläre Sacharbeit. Große Medienauftritte, die sie sich jederzeit besorgen konnte, wird sie kaum haben. Die Trumpf-Ass-Karte ihrer Politik - "Kämpfen für die Heimat" - zieht nicht mehr. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.7.2004)