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Tatort in Wien-Meidling: Der Juwelier, der im Hinterzimmer übernachtet hatte, überraschte das Trio in flagranti und schoss in Notwehr. Ein Einbrecher ist tot.

Foto: APA/Schlager
"Wenn das ein neuer Modus Operandi ist, na habe die Ehre." Noch ist der jüngste Einbruch bei einem Juwelier in Wien-Meidling nicht genau rekonstruiert, doch als Kriminalist muss Major Roland Frühwirt immer vom Worst Case ausgehen. Und der bedeutet: Einbrecher demolieren kurz vor dem Wochenende eine Zugangssperre, weil dann die Behebung des Schadens länger dauert, und kehren noch vor der Reparatur zurück, um die Tat zu vollenden. Doch, wie sich Dienstagfrüh herausstellte, ist auch dieses System keineswegs risikolos, einer der drei Einbrecher wurde vom Juwelier erschossen.

Übernachtung im Hinterzimmer

Schon seit drei Tagen hatte Juwelier Erich E. (63) im Hinterzimmer seines Geschäftes in der Meidlinger Hauptstraße auf einem Feldbett übernachtet. Grund: In der Nacht zum Samstag war das Scherengitter vor dem Geschäftseingang zerschnitten worden. Juwelier und Polizei gingen zunächst von einem missglückten Einbruchsversuch aus. Da eine Reparatur übers Wochenende nicht möglich war, geriet der Juwelier von seiner Versicherung unter Druck. Also übernahm er selbst die verlangte Bewachung.

Wie schnell man als Juwelier Ziel krimineller Begierde werden kann, hatte Erich E. schon vor Jahren erlebt. Laut Polizei wurde er damals am helllichten Tag überfallen, Bauarbeiter vom Nachbarhaus konnten den Zwischenfall beenden. Seit damals besitzt der Juwelier legal eine Pistole, die er auch bei seiner Nachtwächtertätigkeit in eigener Sache dabei hatte.

Dienstag, kurz vor vier Uhr, hörte der Juwelier das Glas seiner Geschäftstür bersten. Im dunklen Verkaufsraum nahm er drei Personen wahr. Nach Angaben des 63-Jährigen sollen die Einbrecher auf ihn losgegangen sein, worauf er mehrere Mal ungezielt in die Dunkelheit geschossen habe. Adam B. (39) wurde tödlich am Kopf getroffen, die anderen rannten davon.

Weihnachtsamnestie

Der Tote ist laut Polizei polnischer Staatsbürger, er war erst vergangenen Dezember im Zuge der Weihnachtsamnestie aus dem Gefängnis entlassen worden. Adam B. war 2003 wegen eines Geschäftseinbruches zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Sein früherer Umkreis wird nun durchleuchtet, möglicherweise sind auch die beiden flüchtigen Komplizen dabei.

Die im Februar nach einem spektakulären Juweliereinbruch in der Wiener Innenstadt gegründete "Soko Juwelier" ist mit dem neuen Fall nicht betraut. "Das war ein ganz anderer Modus Operandi", erklärt Gerald Hesztera vom Bundeskriminalamt. Wie berichtet, hatten diese Täter die Auslage des Juweliergeschäftes Wagner in der Kärntnerstraße mit einem Kleinbus gerammt. Wenig später wurden acht mutmaßliche Täter verhaftet. Sie sind noch in U-Haft und sollen zu einer europaweit aktiven Bande zählen.

In der Schweiz, wo es seit 2000 rund 40 derartige Rammbockattacken geben hat, sichern Juweliere ihre Geschäfte mit tonnenschweren Steinen vor den Auslagen. In der Züricher Bahnhofsstraße, einer der ersten Adressen für exquisiten Schmuck, werden die Findlinge nun durch rammsichere Blumentröge und Steinbänke ersetzt. (Michael Simoner/DER STANDARD; Printausgbe, 28.7.2004)