Auf einer mit technischen Raffinessen ästhetisch sehr ansprechend gestalteten Freiluftbühne: Lalo Cibelli vor dem Gemälde der Maria Magdalena.

Foto: Wörtherseefestspiele/Helge Bauer
Lucio Dalla, in die Jahre gekommener, italienischer Popstar, dem Jazz (ein wenig) sowie unkonventionellen Auftritten (etwas mehr) zugetan, bewegt sich mit seinem 2003 in Rom uraufgeführten Remake des "Gesamtkunstwerks" Tosca auf gefährlich glitschigem Terrain: Der Meister persönlich ist für Musik und Libretto der "Amore disperato" verantwortlich, nicht immer im Sinne höchster künstlerischer Ansprüche.

Eine mit penetrant nervigem Echoeffekt versehene Musikmixtur scheut vor keiner Anleihe zurück: von dominierendem Italo-Pop über orientalisch angehauchte Idiome bis hin zu den nur wenige Hundert Meter vom Schauplatz entfernt komponierten "Kindertotenliedern" Gustav Mahlers. Und das in für HNO-Ärzte erfreulich hoher Lautstärke! Dick aufgetragener Streicherklang verbindet sich mit synthetischen Effekten: Die Musikkonserve, die mittels eines extrem aufwändigen Soundequipments geöffnet wird, kann fehlenden Live-orchesterklang nicht vergessen machen!

Die Textvorlage orientiert sich weit gehend an den Librettisten von Puccinis Original, Dalla platziert "Amore" aber noch mehr in den Vordergrund. Im megacoolen, extra gestylten Armani-Look agieren die Protagonisten auf der mit technischen Raffinessen ästhetisch sehr ansprechend gestalteten Freiluftbühne.

Video gibt Drive

Das trendige Outfit hebt sich vom in sattem Rot gehaltenen Hintergrund kontrastreich ab. Spektakuläre Projektionen und Videoinstallationen verleihen dem bisweilen etwas lähmenden Geschehen den nötigen Drive. Rosalia Misseris Tosca besticht nicht unbedingt in hohen Lagen, Graziano Galatone als Cavaradossi mimt seinen veristischen Belcanto-Helden einsatzfreudig. Stimmlich herausragend Lalo Cibelli als Spoletta. Die Tanzszenen unter der Choreografie Daniel Ezralows entpuppen sich als die eigentlichen Höhepunkte der technisch und personell höchst intensiven Produktion: Funk- oder Rapeinlagen werden präzise, bisweilen bewusst humoristisch aufs Parkett gelegt. Diese Österreich-Premiere ist vielen der unzähligen, zur Massenware verkommenen Produktionen der letzten Jahre überlegen, jedoch einer überdimensionierten Perfektionierungsmaschinerie ausgeliefert. (bay/DER STANDARD, Printausgabe, 27.7.2004)