Dem zutiefst menschlichen Streben nach Macht wohnt der Missbrauch derselben schon inne. Denn wer zieht dem Mächtigen die Grenze, deren Überschreiten den Missbrauch definiert? Der Staat, die Gesellschaft, der Rechtskanon, so die Antwort aus dem Schulbuch. Doch auch diese fußen auf Konventionen und sind somit vom Umfeld abhängig. Das Umfeld hat aber mittlerweile zu einem guten Teil folgende Konvention verinnerlicht: Wer das Geld hat, hat Recht.

Das Streben nach dem Monopol liegt in der Natur von Unternehmen. Und wenn daraus - wie im heimischen Lebensmittelhandel - ein Oligopol wird, dann heißt das: Man befetze sich mit Niedrigstpreisen, um die Konsumenten in die Filialen zu locken und würge die nach Regalflächen gierenden Lieferanten. Denn denen bliebe nur der Export als Alternative, und der ist anstrengend. Die Kartellhüter kämpfen mit der Realität, dass bis zum EU-Beitritt Monopole Alltag waren und das Vor-sich-hin-Köcheln im eigenen Saft als ganz gemütlich empfunden wurde.

Marktmacht ist keine Privatangelegenheit

So mancher mag hierbei die früher (angeblich) geltende Handschlagqualität im Wirtschaftsleben vermissen, den Respekt im Wissen um die gegenseitige Abhängigkeit. Oder einfach Menschlichkeit, angesichts dessen, dass hinter jedem Unternehmen Schicksale stehen. Im Zeitalter des Billigfetischismus zählt dies aber leider wenig. Denn Wirtschaftsbeziehungen werden vor allem in Preisen und Kosten bewertet. Dass die Bundeswettbewerbsbehörde nun in einem Bericht die so gewachsene Beziehungswelt zwischen Handelsriesen und ihren Zulieferern dokumentieren und veröffentlichen will, ist aber als positiv zu bewerten. Auch wenn das die Konzerne gar nicht gerne sehen. Denn Marktmacht und deren Gebrauch sind für Unternehmen keine Privatangelegenheit. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.7.2004)