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Foto: APA/Patrick Seeger
DER STANDARD: Was macht der Verein der vom Zölibat betroffener Frauen (ZöFra)?

Loser Friedli: Wir sind eine Selbsthilfegruppe, die sich regelmäßig trifft. Am Anfang - ZöFra gibt es seit 1987 - war das ein loses Netzwerk. 1995 als sogar der Schweizer Bischof Hansjörg Vogel ein Kind bekam, haben sich viele Frauen erstmals getraut, sich zu äußern. Wir haben damals Fragebogen verschickt. Es kam heraus, dass sich diese Frauen vor allem einen Ort wünschten, wo sie sich geschützt austauschen können. Seit 2000 gibt es den Verein, um besser ansprechbar zu sein. Die Frauen, die ihre Situation schon einigermaßen gelöst haben, machen die Öffentlichkeitsarbeit. Für die Frauen in der Selbsthilfegruppe gibt es einen totalen Schutz.

DER STANDARD: Gibt es auch therapeutische Hilfe?

Loser Friedli: Ja, die Frauen kommen meist zu uns, wenn es ihnen schon sehr schlecht geht. Unsere Therapeuten sind auf diese Thematik spezialisiert. Wir arbeiten auch mit Juristen zusammen, wenn es darum geht, Alimente einzuklagen, Nachlässe und Pensionierungen abzuwickeln.

DER STANDARD: Wie kommt es zu diesen Beziehungen?

Loser Friedli: Jüngeren Frauen verlieben sich oft spontan in einen Priester. Bei älteren Frauen waren es oft Krisen, wie Scheidung oder Todesfall, in denen sie einen Priester kennen gelernt haben, und daraus eine Liebe entstand. Der Klassiker ist die Frau, die im kirchlichen Dienst über Jahre mit einem Priester zusammen arbeitet - eine berufliche Beziehung, die dann kippt. Männern passiert das meist nicht in jungen Jahren. Sie sind eher gefährdet, den Zölibat zu brechen, wenn der Anfangselan weg ist.

DER STANDARD: Wie oft endet eine solche unerlaubte Beziehung in der Legalität?

Loser Friedli: Unsere Statistik aus dem Vorjahr besagt: Von den 310 Frauen in unserer Kartei, sind 75 verheiratet. Pro Jahr verlassen etwa 15 Männer das Priesteramt. Es gibt immer mehr "lautlose Abgänge". Kirchenmänner, die mit Frauen zusammenleben und bis zur Pension ausharren, weil sie den Kampf mit der Amtskirche nicht führen wollen. Da geht es schließlich um Existenzen.

DER STANDARD: Die Kirche toleriert also solche Lebensgemeinschaften?

Loser Friedli: Das kann man so sagen. Auch wenn die Hierarchie weiß, dass eine Beziehung da ist, manchmal sogar mit Kind, passiert dem Priester nichts, solange er das nicht öffentlich deklariert. Es gibt viele Pfarren mit einem Priester mit Frau und Kind und keiner sagt was. Es ist eine Frage der Denunziation: Sobald der Bischof offiziell angesprochen wird, ist der Mann weg. Das ist in allen europäischen Ländern so.

DER STANDARD: Die Situation ist verschärft, wenn Kinder da sind.

Loser Friedli: Für Kinder ist es schwierig. Es ist ein belastendes Geheimnis. Die Kindern leiden unter enormen Schuldgefühlen, weil sie eigentlich gar nicht da sein sollten. Und das macht krank, Spätfolgen haben die meisten. Irgendwann sagen viele: Es reicht, ich will endlich sagen dürfen, wer mein Vater ist. Dann steigt der Druck. Die Mütter leben de facto als allein erziehende Mütter. Es gibt Frauen, die mit ihren Kindern in andere Städte ziehen und Priester, die Parallelleben führen. Es gibt Pfarrer, die eine arme, allein erziehende Frau zu sich ins Pfarrhaus aufnehmen und die macht dann offiziell den Haushalt - in Wirklichkeit sind das seine Frau und sein Kind. Ich weiß auch von Fällen, wo der Pfarrer von vorn herein sagt: Wenn ihr mich anstellen wollt, dann nehme ich meine Frau und meine beiden Kinder mit. Und die Pfarre stimmt zu. Man spricht einfach nicht darüber.

DER STANDARD: Wie ist ihr Kontakt zur Amtskirche?

Loser Friedli: Es herrscht gute Gesprächsatmosphäre, aber es geht alles zäh. Wir treffen Kirchenvertreter einmal pro Jahr. Die tragen unsere Anliegen zu den Bischöfen. Wir fordern einen menschenwürdiger Umgang mit den Priestern, die weg gehen und Unterstützung bei der Arbeitssuche. Und wir fordern natürlich neue Zulassungsbedingungen. mia, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 24./25.7.2004)