London - "Aaaaall uuppp!" schallt das Kommando zum Sammeln über die Themse. David Barber hat eine Schwanenfamilie gesichtet. In blitzblanken Holzbooten legen sich seine Ruderer in die Riemen. Blitzschnell kreist die kleine Flotte die Schwäne ein.

Muskulöse Armee greifen ins Wasser, ziehen die Vögel in die Boote, fesseln sie an den Füßen, schleppen sie an einen Steg. Dort schreitet Christopher Perrins, Professor für Ornithologie, zur Tat. Er wiegt die Schwäne, schaut ihnen in die Schnäbel, prüft sie auf ihren Gesundheitszustand. Am Ende der Prozedur entscheidet Barber, der königlich vereidigte Schwanenzähler, welches der grau gefiederten Jungtiere beringt wird und wenn ja, mit welchem Ring.

Tierschutz und Theater

Fünf Neulinge trägt er in seine Kladde ein. Drei davon erklärt er zum Besitz der Queen, die beiden anderen werden zwei Londoner Zünften zugeteilt, den Färbern und den Weinhändlern. Einmal im Jahr kontrolliert der "Royal Swan Marker" die Bestände - eine Mischung aus Tierschutz und großem Theater.

"Theoretisch hat Ihre Majestät einen Besitzanspruch auf jeden britischen Schwan", erläutert Perrins das bizarre Gewohnheitsrecht. Höckerschwäne wurden einst gebraten als Delikatesse verzehrt, was derart überhand nahm, dass die Vorfahren von Elizabeth II einschreiten mussten, indem sie die Tiere zum Eigentum der Krone erklärten.

Unter König Edward IV. (1461-1483) geriet die Dynastie in Geldnot, sodass sie sich zu einem Deal mit den reichen Gilden der Londoner City herabließ. Letztere durften fortan einen Teil der Schwäne ihr Eigen nennen. Zwei Zünfte halten eisern am uralten Privileg fest, die Dyers (Färber) und die Vintners (Weinhändler): Nach einer Faustregel steht jeder etwa ein Viertel des Nachwuchses zu. Um nichts zu verpassen, fahren denn auch je zwei Boote der beiden Gilden im Kielwasser Barbers.

Protest im Parlament

Sein ausgefallener Beruf hat das Parlament schon einmal zu hitzigen Debatten angestachelt. Ob es sich die Nation leisten können, einen Mann nur dafür zu bezahlen, dass er sich einmal im Sommer die Themse hinaufrudern lässt, fragte ein erzürnter Labour-Minister 1947 im House of Commons. Die Zeiten ändern sich, Barber ist bloß nebenberuflich Schwanenmarkierer, in der Hauptsache betreibt er eine Bootswerft. Der 53-Jährige sieht aus, als würde er in einem maritimen Historienfilm über Admiral Nelson mitspielen: roter, goldbestickter Blazer, in seiner Mütze steckt eine lange Schwanenfeder.

Der Zoologe Perrins von der Oxford University wiederum nennt sich "The Queen's Swan Warden", Schwanenwächter der Regentin. Dabei versteht er sich als normaler Tierschützer, so wie das ganze folkloreschwangere Unternehmen ohnehin mehr ein sommerlicher Werbefeldzug zum Wohle der Schwäne ist. (Frank Herrmann aus London, DER STANDARD Printausgabe 22.7.2004)