Bild nicht mehr verfügbar.

John Preskill (rechts) mit der Baseball-Enzyklopädie, welche Stephen Hawking (vorn links) ihm nach einer verlorenen Wette schuldig war: Letzterer hatte gewettet, dass Masse, die in ein Schwarzes Loch fliege, nicht mehr zurück in unser Universum käme, sondern in einem anderen lande.

Foto: epa/west
Dublin/Wien - Schwarze Löcher zerstören doch nicht alles, was in sie hineinfällt. Vielmehr geben sie die Information zurück - aber völlig neu geordnet. Diese Theorie eröffnete der britische Physiker Stephen Hawking bei einem mit Spannung erwarteten Vortrag in Dublin.

Schon am Wochenende hatte Hawking (62) seine drei Jahrzehnte alte Theorie zu Schwarzen Löchern grundsätzlich widerrufen. Darin hatte er mit einem Paradoxon gerungen, das er selbst geschaffen hatte: Was in ein Schwarzes Loch gesogen wird, ist für immer vernichtet. Nicht nur das: Schwarze Löcher können auch an Masse verlieren, weil sie so lange strahlen, bis sie sich auflösen. Selbst die Strahlung enthalte viel weniger Information, als hineinfiel, hatte er gedacht.

Verstoß gegen Grundannahmen der Quantenphysik

Die Theorie verstößt jedoch damit gegen eine der Grundannahmen der Quantenphysik. Demnach kann Information nie komplett verschwinden - auch nicht in einem Schwarzen Loch. "Der Gesamtwahrscheinlichkeit zufolge ist ein Elektron immer irgendwo. Und wenn man Teilchenumwandlungen, wie etwa das Zerstrahlen eines Elektron-Positron-Paares in ein Photonpaar, in Betracht zieht, ist es möglich, eine Gesamtwahrscheinlichkeit zu definieren, die erhalten bleibt", erklärt Helmuth Urbantke vom Institut für theoretische Physik der Universität Wien.

Hawking fand damals einen eleganten Ausweg: Die Mahlzeiten der kosmischen Vielfraße verschwinden in einem Paralleluniversum. So lösen intensive Gravitationsfelder im Schwarzen Loch die Regeln der Quantenmechanik auf - für unser Universum sei die Information verloren. Nun aber revidiert der Physiker.

"Verzeihen Sie, wenn ich Sie enttäuschen muss, aber durch Schwarze Löcher führt kein Weg in ein anderes Universum", erklärte der Physiker in seinem Vortrag die Idee der "Wurmlöcher" für nichtig. Vielmehr verdampfe die Information zurück in unser Universum: "Wenn Sie in ein Schwarzes Loch springen, wird Ihre Masseenergie zurückgegeben, aber in zerschnipselter Form. Die Information, die Sie ausmacht, bleibt zwar erhalten, aber sie ist nicht mehr wieder zu erkennen", erklärte er.

Mit den Kritikern konform

Nachdem die "Hawking-Strahlung" über drei Jahrzehnte angefochten worden war, geht der Physiker nun mit seinen Kritikern konform - etwa den Anhängern der String-Theorie. Die String-Theorie besagt, dass das Universum aus winzigen, vibrierenden, fadenähnlichen (statt punktähnlichen) Partikeln besteht. Was dafür spreche, dass Information ein Schwarzes Loch verlassen könne.

Für den Wiener Physiker Urbantke enthält die neue Theorie "viele spekulative Elemente". Denn in Dublin hat Hawking zwar vorgerechnet, was mit Schwarzen Löchern aller Massengrößen und Arten nach eine unendlichen Zeitspanne passiert. Und er zeigte zwar, dass am Ende genauso viel Information herauskommt wie hineingesogen wurde, sagte jedoch nicht, was dazwischen passiert.

Jedenfalls hat Hawking nun die zweite Wette gegen John Preskill vom California Institute of Technology verloren: Beim ersten Mal musste er Preskill und seinem Kollegen Kip Thorne ein Penthouse-Jahresabo schenken: Er hatte in der Idee, dass der vollständige Gravitationskollaps stets zu einem Schwarzen Loch führt, man also das "Ergebnis" nicht von außen sehen kann, Unrecht gehabt. Diesmal ist der Preis jugendfrei: eine Enzyklopädie über Baseball. (Eva Stanzl/DER STANDARD, Printausgabe, 23.7.2004)