Berlin - Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder mag sich laut Meinungsumfragen die Gunst der Wähler verscherzt haben, bei den Führungsspitzen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung erfreut er sich wachsender Unterstützung.

In einer vom Wirtschaftsmagazin "Capital" in Auftrag gegebenen Elite-Umfrage, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde, sprachen sich 83 Prozent dafür aus, Schröder den Rücken zu stärken. Das Schlüsselprojekt der Reformen, die Agenda 2010, überzeugt die Führungskräfte mehrheitlich.

Erste positive Auswirkungen

44 Prozent der rund 500 vom Allensbacher Institut für Demoskopie Befragten sehen erste positive Auswirkungen der Agenda 2010. Von den 54 Prozent, die die Reformen für bisher weitgehend wirkungslos halten, bewerten 32 Prozent sie als zu halbherzig, und 19 Prozent glauben, dass keine so kurzfristigen Auswirkungen zu erwarten sind. Nur zwei Prozent sind der Meinung, dass die Richtung grundsätzlich falsch ist.

Angesichts des Rekordtiefs der SPD in Wählerumfragen glauben nur 42 Prozent der Führungskräfte, dass Schröder den Reformkurs durchhalten kann. Um die Unterstützung der Wähler zurückzugewinnen, müsste die SPD nach Meinung von 49 Prozent ihren Kurs korrigieren. Die Spitzenkräfte fordern zu 79 Prozent auch die Union auf, Schröders Reformkurs zu unterstützen.

Keine großen Unterschiede zwischen SPD und CDU

Große Unterschiede zwischen SPD und CDU in ihrer Reformfreudigkeit sehen die Führungskräfte nicht. Nur 55 Prozent meinen, die Konzepte der Union gingen über die der SPD hinaus. CDU-Chefin Angela Merkel nehmen sie allerdings als glaubwürdiger und durchsetzungsstärker wahr als Schröder. Schröder trauen sie hingegen eher zu, auch unpopuläre Maßnahmen anzupacken.

Innerhalb der als äußerst zerstritten wahrgenommenen SPD sieht die Elite kaum Alternativen zu Schröder. Daher erwarten auch 82 Prozent, dass er bis 2006 Kanzler bleibt. Ein Comeback trauen ihm allerdings nur 35 Prozent zu. 63 Prozent meinen, dass die SPD einen kräftigen Wirtschaftsaufschwung braucht, um die Unterstützung der Wähler zurückzugewinnen.

Hoffnung schwindet

Die Hoffnungen auf einen solchen Aufschwung schwinden jedoch: Nur noch 46 Prozent glauben, dass es in den nächsten sechs Monaten wieder aufwärts geht.

Auch unter den Optimisten rechnen nur elf Prozent mit einem dauerhaften, starken Aufschwung, 35 Prozent mit einer kurzfristigen, schwachen Aufwärtsentwicklung. Dies steht laut "Capital"-Chefredakteur Kai Stepp im Widerspruch zur Auftragslage der Unternehmer. "Die Stimmung ist schlechter als die Lage", sagte Stepp.

Keine FDP-Renaissance erwartet

Als Partei, die ihre Potenziale am wenigsten ausschöpft, bewertet Institutsleiterin Renate Köcher die FDP. 90 Prozent der Führungskräfte glauben nicht an eine Renaissance der Liberalen. FDP-Chef Guido Westerwelle hafte der Spaß-Wahlkampf der letzten Bundestagswahl an, meint Köcher.

Dabei habe die FDP wie alle kleinen Parteien flächendeckend zugelegt. Immer dann, wenn die großen Volksparteien keine klar konturierten Alternativen böten, wachse die Zustimmung zu den kleinen.

Dass die SPD gegenüber dem Koalitionspartner der Grünen so sehr in der Wählergunst gesunken ist, erklärt Köcher damit, dass sie mit den Einschnitten am Sozialstaat die Erwartungen ihrer Wählerschaft konterkariert. Die Grünen hingegen bedienten die Erwartungen ihrer Klientel, nicht zuletzt mit der Besetzung der für sie wichtigen Themen im Kabinett: Umwelt und Verbraucher. (APA/AP)