Wien - Es ist gut, dass Gian Carlo Menottis Goya-Oper jetzt schon aufgeboten wurde, um den heurigen Klangbogen zu eröffnen. Nicht auszudenken, hätte man das Werk für 2007 reserviert, um das Theater an der Wien als das, was es sein wird, nämlich als ausschließliches Opernhaus einzuweihen. Da müsste einen das Gefühl überkommen, ein Musical hätte sich schon wieder ins Programm gedrängt.

Natürlich spürt man mitunter, dass hier versierte Theaterkönnerschaft effektvoll und spannungsaufladend tätig wird. In jenen Augenblicken etwa, da der arme Maler Goya inmitten einer Festgesellschaft das Gehör zu verlieren beginnt, zerbrechen die musikalischen Nettigkeiten auf interessante Art und Weise; und auch Regisseur Kasper Bech Holten gelingt es da, einen interessanten Kontrast zwischen Goyas Welt der Stille und dem lärmenden Fest zu schaffen.

Leichte Kost

Überwiegend wirkt die musikalische Diktion jedoch als etwas leichtgewichtiger Versuch, Großes zu schaffen und Puccini mit Puccini zu verschmelzen. Als hätte Menotti es nicht verkraftet, dass Franco Alfano - und nicht er - Puccinis Turandot der Vollendung nahe gebracht hat. Und vom Inhalt her wirkt es schon ein wenig seltsam, dass der an sich romantisch-tragischen Geschichte gerade in ihren mörderischen und ernsten Augenblicken durch das Königspaar ein Moment der Heiterkeit geschenkt wird.

Wenn schon diese Oper, dann also am besten jetzt - auch wegen Plácido Domingo. Menotti hat sie einst für den Tenor geschrieben, er hat sie nun auch neu bearbeitet. Wohl auch für Domingo. Wer weiß schließlich, ob der 93-jährige Komponist (war anwesend, glücklich und wurde gefeiert) 2007 noch in der Stimmung wäre, das Werk den verbliebenen Möglichkeiten des vielseitigen Sängers anzupassen. Und fraglich ist natürlich, ob Domingo noch singen wird.

Mittlerweile ist ja schon der Sonnenuntergang seiner vokalen Karriere angebrochen, aber Hut ab: Manche Intensität muss zwar schon durch Kraft erkämpft werden. Aber zweifellos vermag er als seine Vergangenheit herbeiimaginierender alter Goya den Abend vokal und rollengerecht zu tragen. Seine Kräfte setzt er klug, effektvoll ein und bietet insgesamt eine packende Performance.

Und keinesfalls kann man behaupten, dass er sich hier mit Mittelmaß umgab, um zu glänzen: Iride Martinez legt eine kraftvoll-schrille Königin Maria Luisa hin, die mit ihrer bis zu Karikatur gesteigerten Eitelkeit nicht so ganz zu dem traurigen Grundton des Stückes passen will (ein Problem der Werkes selbst allerdings). Und auch Michelle Breedts (als Herzogin von Alba) bringt dramatisch und lyrisch tragfähiges Flair ein. Christian Gerhaher (als Martin Zapater) ist in dieser brav-soliden Inszenierung ohne besonderer Bildermagie durchaus mit Präsenz zugegen - im Vokalen etwas unter dem Ensembleniveau hingegen Andreas Conrad als Charles IV.

Das Radio Symphonieorchester Wien hat man schon inspirierter gehört. Unter Emanuel Villaume klang es solide, aber auch so, als hätte es die lähmende Hitze, die draußen herrschte, ins Theater mitgenommen. (Ljubisa Tosic/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. 7. 2004)