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Die zwei großen Fraktionen haben sich verbündet und den Sozialisten Borrell zum Präsidenten gekürt. Die Konservativen erwarten nun eine Gegenleistung: die Wahl des EU-Kommissionschefs.

Foto: REUTERS/Vincent Kessler
Die zwei großen Fraktionen haben sich verbündet und den Sozialisten Borrell zum Präsidenten gekürt. Die Konservativen erwarten nun eine Gegenleistung: die Wahl des EU-Kommissionschefs.

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Es war ein Auftakt mit leichten Misstönen. "Die Bürger haben genug von Absprachen hinter verschlossenen Türen", wetterte der Liberale Graham Watson. Die Grüne Monica Frassoni assistierte in der Kritik, dass Schwarz und Rot offenbar aus der niedrigen Wahlbeteiligung nichts gelernt hätten: "Wir hoffen, dass dieses unnatürliche Bündnis heute zum letzten Mal zustande kommt."

Das Bündnis hat auf jeden Fall am Dienstag, dem ersten Tag des neu gewählten Europaparlaments, seinen Zweck erfüllt: Der spanische Sozialist Josep Borrell wurde zum neuen Präsidenten des Parlaments gekürt. Die Wahl Borrells ist ein Teil des Abkommens zwischen den beiden größten Fraktionen, der Europäischen Volkspartei (EVP) und den Sozialdemokraten (SPE). Der 57-jährige Borrell wird Halbzeitvorsitzender, nach zweieinhalb Jahren stellt dann die EVP den Parlamentspräsidenten, vermutlich in der Person des deutschen Christdemokraten Hans Gert Pöttering.

Dieser Deal war auch innerhalb von EVP und SPE nicht unumstritten - was sich auch am Wahlergebnis zeigte: 98 der 486 EVP- und SPE-Abgeordnete wählten Borrell nicht. Dafür erhielt der liberale Gegenkandidat, der frühere polnische Außenminister Bronislav Geremek 208, der französische Kommunist Francis Wurtz 51 Stimmen.

Barroso wartet

Mit 388 von 647 gültigen Stimmen erhielt Borrell aber eine deutliche Mehrheit. "Diese Mehrheit bietet Stabilität für unser Organ", freute sich Borrell. Die EVP betonte aber gleich nach der Kür des Sozialisten, dass sie nach dieser Vorleistung nun erwartet, dass der Koalitionspartner SPE auch ihrem Kandidaten eine Mehrheit verschafft: dem designierten EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Durao Barroso.

Dieser stellt sich Donnerstag der Abstimmung der Abgeordneten, eine Mehrheit gilt dank der Koalition als sicher, wenn auch Borrell relativierte: "Manche sozialdemokratische Delegationen werden für Barroso stimmen, andere nicht." Die sieben österreichischen Roten etwa werden Barroso nicht ihr Jawort geben.

Überzeugt stehen auch die sieben SPÖ-Abgeordneten hinter dem Teil des technischen Koalitionsabkommens, der eine Reform des Wahlkampfschlagers "Spesen und Diäten" verspricht. Bis Jahresende soll eine neue Regelung gefunden werden, die einheitliche Bezüge rund um die 6000 Euro vorsieht. Die Bezüge der Ostabgeordneten sollen schrittweise über Jahre angepasst werden. Damit haben die Abgeordneten bis Jahresende Zeit.

Gleich am Dienstag wurde um die Verteilung der prestigeträchtigen Ausschüsse und Posten gerungen. Der SPÖ gelang es dabei, für Herbert Bösch den Vorsitz im wichtigen Haushaltskontrollausschuss zu ergattern - allerdings auf Teilzeitbasis. Bösch wird nach zweieinhalb Jahren Vorsitzender. Der Grüne Johannes Voggenhuber hingegen wird nicht Vorsitzender im Verfassungsausschuss. Die Grünen zogen den Türkei-Ausschuss vor, mit dem Niederländer Joost Lagendijk als Vorsitzendem. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.7.2004)