Eine der vier starken Frauen in "No Comment" ist diese Teetrinkerin im Kleid einer Tänzern aus Bali (Grace Ellen Barkey).
Foto: Abeele
Eine Art von Abfall auf der Bühne. Unsichtbar, geruchlos. Er scheint ungreifbar und doch ist er da, mit Bedacht hingeleert, Wort für Wort, Satz für Satz. Sondermüll, der sich zwischen aufgeblähten Backen hervorstiehlt und eine Verstrahlung bewirkt, die das Denken und Empfinden empfindlich irritiert.

Jan Lauwers' Stück No Comment greift tief in unsere kulturelle Verunsicherung und zeigt Härte ohne Gewaltszenen. Vier Frauen, vier Autoren, drei gesprochene Monologe und ein getanztes Selbstgespräch - eine Kontamination, leidenschaftlich, melancholisch, abgeklärt und fantastisch gefährlich.

"Ich habe mich nie machtlos gefühlt"

Eine Teetrinkerin, Grace Ellen Barkey, fliegt als balinesische Tänzerin auf ihrem Podest. Eine Salome unserer Tage, Anneke Bonnema, berichtet über ihre sexuellen Erfahrungen. Die Tänzerin Tijen Lawton jagt mit rotierenden Armen ein unsichtbares Bild. Und Viviane De Muynck sagt als füllige, reifere Ulrike Meinhof mit rauher, harter Stimme: "Ich habe mich nie machtlos gefühlt, nur zornig. Und der Zorn hat sich manchmal in ein Wüten verwandelt."

Diese dunklen Heldinnen exhumieren auf einer abseitigen Bühne Gedanken aus den Endlagerstätten unserer Kultur. Schnell scheint das versöhnliche Plappern unserer Service-TVs nur noch wie ein Störgeräusch. Die Folien über der sengenden Verlogenheit unserer Gegenwartsbewältigung schmelzen in der Hitze des Ausgesprochenen.

Der Spaß ist aus. Metaphern malträtierter Körperlichkeit wabern über den weißen Tanzboden. Die legendäre belgische Needcompany langt über sich selbst hinaus, über das Theater, den Tanz, das Künsteln und über die Kritik an den Verhältnissen. Lauwers hat hier keine Comedy inszeniert, aber sehr wohl einen Appell zur Reflexion außerhalb der gängigen Informationsflut. Wichtig ist, was in den Köpfen der Zuschauer entsteht. No Comment enthält wenig Trost, aber doch die Hoffnung, wir könnten im Fallout der Geschichte irgendwie überleben.

"No Comment" im Akademietheater am 30. 7., 21.00. (Helmut Ploebst/DER STANDARD, Printausgabe 20.07.2004)