Paris/Brüssel - Der französische Präsident Jacques Chirac hat der Türkei Unterstützung bei ihrem Streben nach einer Aufnahme in die Europäische Union zugesagt. Der EU-Beitritt des Landes sei "wünschenswert, sobald dies möglich ist", erklärte Chirac am Dienstag nach einem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan im Pariser Elysée-Palast. Der französische Außenminister Michel Barnier sagte, die Türkei habe aber noch einen "weiten Weg" vor sich. Nach Informationen der Pariser Zeitung "Figaro" wird die EU-Kommission voraussichtlich am 5. Oktober grundsätzlich die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Ankara vorschlagen.

Chirac und Erdogan erörterten die Frage eines EU-Beitritts nach Angaben des Pariser Präsidialamtes unter vier Augen. Die Begegnung war Höhepunkt von Erdogans dreitägiger Frankreich-Visite, die am Mittwoch zu Ende gehen sollte. Der türkische Regierungschef versuchte, auch die französische Unternehmerschaft für die Türkei als Markt mit rund 70 Millionen potenziellen Verbrauchern zu gewinnen.

Angaben aus dem Elysée-Palast zufolge steht ein Milliardenauftrag der türkischen Fluggesellschaft Turkish Airlines über fast 50 Flugzeuge kurz vor dem Abschluss. Um den auf etwa zwei Milliarden Dollar (1,6 Milliarden Euro) taxierten Auftrag ringen der europäische Airbus-Konzern und sein US-Rivale Boeing. Der Großauftrag werde vermutlich zwischen beiden Anbietern geteilt, hieß es in Paris nach dem Treffen zwischen Chirac und Erdogan.

"Die Türkei wird nicht morgen in die Europäische Union kommen", sagte Barnier dem französischen Radiosender Europe 1. Das Land befinde sich aber bereits "seit einer gewissen Zeit" auf diesem Weg, "indem es sich vorbereitet und Fortschritte macht", sagte der Außenminister, der wie Chirac einen EU-Beitritt der Türkei befürwortet. Seine "Freunde" von der Regierungspartei UMP erinnerte Barnier daran, dass der damalige Staatschef Charles de Gaulle bereits 1963 den Dialog zwischen Europa und der Türkei vorangetrieben habe.

Die UMP hatte sich mehrheitlich gegen eine EU-Aufnahme der Türkei ausgesprochen und die Frage auch zu einem ihrer Themen im Europawahlkampf gemacht. Die oppositionellen Sozialisten treten dagegen für einen Beitritt der Türkei ein. Bei seinem Frankreich-Besuch wollte Erdogan neben dem bisherigen UMP-Vorsitzenden Alain Juppé auch Sozialistenchef François Hollande treffen.

Dem "Figaro" zufolge wird die Europäische Kommission aller Voraussicht nach am 5. Oktober die Aufnahme formeller Beitrittsverhandlungen mit Ankara empfehlen. Angesichts der türkischen Fortschritte bei der Erfüllung der so genannten Kopenhagener Kriterien sei eine Mehrheit der inzwischen 30 Brüsseler Kommissare dafür, berichtete die Zeitung aus Brüssel. Die offizielle Entscheidung über eine Aufnahme der Gespräche steht am 17. Dezember beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel auf dem Programm. (APA)