"Walküre": Martina Tomcic als Fricka

Foto: © Rupert Larl/Festspiele Erl
Schon wieder ist Urlaubssperre. So ziemlich alles, was in Erl zur (freiwilligen) Feuerwehr oder Polizei gehört bzw. in die unteren Schulklassen geht, befindet sich derzeit auf, vor oder hinter der riesigen Bühne des Passionsspielhauses. Denn alle machen mit, helfen beim Auf- und Abbau, werden in die Inszenierung von Wagners Ring integriert - ob als Nibelungen oder gestandene Feuerwehrkapelle.

Auf der Bühne sitzt naturgemäß gut sichtbar auch das (formidable) Orchester, gilt doch der akustisch ideale Aufführungsort eigentlich den alle sechs Jahre stattfindenden Passionsspielen - und dafür braucht es keine wagnermäßige Begleitmusik aus dem Graben. Auch heuer deutet Kuhn das Rheingold als Satyrspiel, konfrontiert ein ständig Cocktails schlürfendes Götterpaar Wotan (mit sonorer Tiefe: Duccio Dal Monte) und Fricka (sehr solide: Martina Tomcic) mit den Riesen, die offenkundig auf wasserstoffblonde Damen stehen (herrlich-quirlig: Susanne Geb als Freia).

Dem garstigen Gauch Alberich (ausgezeichnet Franz-Josef Kappelmann) macht Wotan den Garaus, natürlich mit Hilfe von Loge: Francisco Araiza hat zwar eine ausdrucksstarke Stimme, jedoch bestehen seine schauspielerischen Fähigkeiten vorwiegend in gekünsteltem Herumlaufen.

Die Walküre bietet einen spannenden Neuzugang: Andrew Bunsdon ist als Siegmund überzeugend, mit klarer Intonation und gutem Spiel. Die "Wälserufe" gelingen hervorragend, während es den "Winterstürmen" etwas an Expressivität mangelt.

Schwester Sieglinde (überwältigend: Gertrud Ottenthal) wird von Hunding (kraftvoll Thomas Hay) gequält und nach Siegmunds Tod von Brünnhild gerettet: Elena Comotti D'Adda brilliert durch expressivste Tönungen als Lieblingstochter Wotans, die "Todesverkündigung" gerät zum wohl berührendsten Teil der Aufführung.

Im Gespräch verrät Gustav Kuhn, Impresario, Maestro und Regisseur in Personalunion, sein Erler Erfolgsgeheimnis: Ein Gesamtkunstwerk will er schaffen, Handlungen und Szenenbild aus der Wagnerschen Musik heraus entwickeln, auf Präsenz der Sänger statt reinen Schönklang setzen, und das alles mit sparsamsten Mitteln. Gegen das Regietheater gerichtet, soll wieder das Werk im Zentrum stehen, der Regisseur ist Diener nicht Herrscher. Kuhn versteht sich als "Regenwurm der Kunst".

Und auch 2004 geht das Konzept, wie es scheint, wieder auf. Tosende Ovationen des recht internationalen Publikums nach den ersten beiden Ring -Abenden sowie eine Auslastung von über 95 Prozent zeigen: hier ist kein Kleinmeister am Werk, der "Halbwahnsinnige" (Kuhn über Kuhn) erweist sich als ernsthafte Konkurrenz für den über weite Strecken eingefahrenen Kulturbetrieb. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.7.2004)