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Der am Freitag neu bestellte italienische Wirtschaftsminister Domenico Siniscalco wird von seinen bisherigen Amtskollegen als locker und zugänglich beschrieben. Als er im September 2001 das Amt des Generaldirektors im Schatzministerium antrat, scherzte er: "Das Erste, das ich tun muss, ist mir einen Anzug kaufen." Dazu wird er im Amt des Wirtschaftsministers wenig Zeit haben. Im Staatshaushalt klafft ein Riesenloch. Nur mit Mühe konnte Rom jüngst einen blauen Brief wegen exzessiver Schulden abwenden.

Siniscalco wird eine Rosskur durchziehen müssen. Von Einsparungen in Höhe von 30 Milliarden Euro ist die Rede. Bis Ende Juli muss die Regierung wirtschaftliche Richtlinien für die nächsten drei Jahre festlegen.

Eine weitere Hürde für den Privatisierungsexperten ist die Pensionsreform, die derzeit im italienischen Parlament diskutiert wird, sowie die Verabschiedung einer umstrittenen Steuerreform, an die Ministerpräsident Silvio Berlusconi Hoffnungen auf eine Wiederwahl bei den Parlamentswahlen 2006 knüpft. Auch wird sich der neue Wirtschaftsminister mit der heiklen Zukunft der vom Konkurs bedrohten Alitalia auseinander setzen müssen.

Das große Publikum kennt den Neuen kaum. Im wirtschaftlichen und im politischen Umfeld gilt der 50-jäh- rige Turiner Wirtschaftsprofessor als Figur ersten Ranges. Siniscalco kennt sein Ressort. Als Generaldirektor des Schatzamtes, das früher ein eigenständiges Ministerium war, war er dort die rechte Hand seines langjährigen Freundes und nunmehrigen Vorgängers Giulio Tremonti. Er gilt als gut ausgebildeter Technokrat ohne klare Parteibindung. Im Gegensatz zum unpopulären Tremonti besitzt Siniscalco Freunde in allen Lagern, saß in den Aufsichtsratsgremien großer Unternehmen, schrieb Leitartikel für die Zeitung des Industriellenverbandes, hat einen Draht zu Fiat und zur Bank Mediobanca.

Auch die Linke fand schon Gefallen an ihm. Sowohl Giuliano Amato als auch Massimo D'Alema bedachten ihn während ihrer Regierungszeit mit kleinen Beraterposten. Wer ihm aber beim Durchsetzen seiner Ziele wirklich helfen wird, bleibt für viele Beobachter fraglich.

In der Wirtschaftspolitik vertritt er betont pragmatische Positionen und scheint sich am Motto zu orientieren: "Der Markt, wo möglich - der Staat, wo notwendig."

Der verheiratete Vater zweier Töchter hat in Turin Jus studiert und darauf auch die Doktorwürde in Ökonomie in Cambridge erlangt. Seit 1990 war er ordentlicher Professor an der Universität Turin. Nicht einfach wird es der große, blauäugige Norditaliener mit den Medien haben. Unter Journalisten gilt er als unsympathisch und "entsetzlich arrogant". (Karin Tzschentke/DER STANDARD, Printausgabe, 19.7.2004)