Tanzen und Theatern zwischen Videowasser und Bühnenluft - "Blush"

Foto: Impulstanz
Bei "ImPulsTanz" ließ Hubert Lepka die Motoren röhren, Wim Vandekeybus führte eine blässliche Errötung vor und Mark Tompkins zeigte in "Song and Dance" traumhaften Tanz.


Wien - Hubert Lepka ist ein ehrlicher Künstler. Der Salzburger Choreograf mag es, wenn etwas brennt, brummt oder kracht. Daher lässt er auch tanzen, was die Industrie an schwerem Gerät produziert, und gilt als Mann der Musik wie der Motoren.

Diesem Ruf gemäß warfen Lepka und seine "Buam" von der Gruppe Lawine Torrèn bei ImPulsTanz benzinbetriebene Pferdestärkenschleudern an und führten unter dem Titel 108 EB im Haupthof des Museumsquartiers röhrende Höllenritte vor, die in aller Pietät dem 15. Todestag von Maestro Karajan gewidmet waren. Es ging um die virilen Implikationen sowohl des Orchesters als auch des Autorennens, um den Sound des Gasgebens parallel zu Klängen aus Mozarts Idomeneo und der Totenmesse für Karajan 1989 im Salzburger Dom. 108 EB entstand im selben Jahr und ist so gesehen bereits ein Klassiker der österreichischen Choreografie. Durchaus testosterongetrieben ist auch die belgische Produktion Blush von Wim Vandekeybus, die bereits im Vorjahr zu sehen war.

Der weltberühmte Choreograf ist ein passionierter Poet und eine unverbesserliche Plaudertasche. Bei Blush ("Erröten") fabulierte er im Volkstheater originellerweise über die Liebe. Treuherzig mischt er Gags, Musik, Theater, Tanz und Film. Die daraus resultierenden Unausgewogenheiten nimmt er in Kauf. Seine Tänzerinnen sind schlicht umwerfend, die Tänzer inklusive dem Choreografen selbst nur erträglich. Als Schauspieler stehen die Darsteller eher für outrierende Schmiere. Zudem werden dem Publikum böse Fallen gestellt. Diese angegraute Idee der Konfrontation beruht auf dem Missbrauch der Kommunikationsmacht der Bühnendarsteller.

Dafür kommt denn auch die lärmende Errötungsgeschichte eher blass über die Rampe. Die Frauen agieren hysterisch, die Männer sind Penetrierer, und eine Banane mit dem Rektum abzubeißen ist ein ebenso origineller Trick wie der, so zu tun, als ob ein Frosch im Mixer püriert werden würde. In dem actiongeladenen Pomp von Blush verschwindet das tänzerische Erzählpotenzial ebenso wie die spannenden Wechsel zwischen Liveperformance und Film.

Im Gegensatz zu Mark Tompkins, der bei Song and Dance im Akademietheater (ebenfalls eine Wiederaufnahme) eine traumhafte Reflexion über das Theater als Arbeitsstätte, die Gestalt und die Kraft der Illusion auf der Bühne sowie den Tanz als ästhetisches Stereotyp zeigte, decken sich bei Vandekeybus alle diskursiven Größen unter der barocken Banalität eines künstlichen Redeschwalls zu. (DER STANDARD, Printausgabe vom 17./18.7.2004)