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Kurzer Spießrutenlauf: Lord Butler (Mitte) und die Mitglieder seiner Irak-Kommission mussten vor der Präsentation ihres Berichts an Gegnern der Regierung vorbei. "Blair log", stand auf Plakaten - Butler kam zum gegenteiligen Schluss.

Foto: Reuters
"Lord Whitewash", spotteten Blair-Kritiker nach der Präsentation des Untersuchungsberichts von Lord Butler zu möglichen Fehlern von Geheimdiensten und Regierung im Vorfeld des Irakkrieges: Der Premier kam ungeschoren davon.

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"Niemand hat gelogen. Niemand hat Geheimdienstinformationen erfunden. Niemand hat etwas gegen den Rat der Geheimdienste eingefügt." Der britische Premierminister Tony Blair zeigte sich am Mittwoch im Parlament sichtlich erleichtert.

Kaum hatte Lord Robin Butler seinen Bericht über die Irrtümer der Spione vor dem Irakkrieg vorgestellt, trat Blair ans Rednerpult des Unterhauses und hielt eine Rede - aus seiner Sicht ein Fazit des umstrittenen Feldzugs. Niemand könne ihm vorwerfen, dass er nicht in gutem Glauben gehandelt habe, verteidigte sich der Premier. Er übernehme die Verantwortung für Fehler, es sei jedoch "kein Fehler" gewesen, Saddam zu stürzen.

Auch wenn im Irak keine Massenvernichtungswaffen gefunden worden seien, so habe der Diktator dennoch die "strategische Absicht" gehabt, ein solches Arsenal zu besitzen. Hätten Briten und Amerikaner nicht gehandelt, hätten sich Despoten mit ähnlichen Absichten überall in der Welt "unermesslich ermutigt" gefühlt.

Am Mittag hatte Lord Robin Butler, ein ehemaliger Kabinettssekretär, einen Bericht über die Arbeit der Geheimdienste im Vorfeld des Krieges präsentiert. Auf 196 Seiten deckte er Fehleinschätzungen auf, kritisierte die allzu selbstsichere Sprache in einem im September 2002 gedruckten Irak-Dossier der britischen Regierung.

Darin hätten es die Verfasser unterlassen, so Butler, auf die "dünne Grundlage" ihrer Informationen hinzuweisen. Sie hätten im Gegenteil den Eindruck erweckt, dass im Hintergrund noch mehr Geheimmaterial verfügbar sei. Insbesondere gelte dies für die Behauptung, wonach Bagdad angeblich binnen 45 Minuten biologische und chemische Waffen abfeuern konnte.

Düstere Warnung

Blairs Pressestab nutzte die Passage damals, um eine direkte Gefahr fürs Vereinigte Königreich abzuleiten: Saddam, so wurde der skeptischen Öffentlichkeit suggeriert, bedrohe nicht nur sein eigenes Volk, sondern auch die britischen Soldaten auf Zypern. Blair selbst stellte die düstere Warnung in seinem Vorwort zu dem Dossier groß heraus.

Nach einem Bericht des Observer hatte ein Saddam-kritischer Offizier im August 2002 einer irakischen Exilgruppe in London, geführt vom heutigen Premier Iyad Allawi, die scheinbar sensationelle Information übermittelt. Der vermeintliche Knüller bezog sich aber schon damals nur auf lokal einsetzbare Munition, nicht auf Langstreckenraketen. Der 45-Minuten-Satz hätte nicht in dem Papier auftauchen dürfen, urteilte Butler. Der Geheimdienst MI6 habe ihn wissen lassen, dass Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Quelle aufgetaucht seien.

Britische Kommentatoren hatten erwartet, dass der Lord zumindest einen Namen kritisch erwähnen würde: John Scarlett. Der Exagent, im September 2002 Chef des Koordinierungsgremiums Joint Intelligence Committee, hatte die Federführung für das umstrittene Dossier inne. Nun, am 1. August, soll er zum Chef von MI6 befördert werden. Nicht einzelne Personen hätten Fehler gemacht, es handele sich um einen "kollektiven Irrtum". (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.7.2004)