Brüssel - Die EU-Kommission hat heute, Mittwoch, die von Agrarkommissar Franz Fischler vorgeschlagene radikale Reform der EU-Zuckermarktordnung beschlossen. Danach sollen der Zuckermarkt von Juli 2005 an schrittweise liberalisiert und die von Brüssel gezahlten Subventionen zurückgeführt werden.

Die EU-Agrnarminister müssen die von der EU-Kommission vorgeschlagene Reform des Zuckermarktes erst beschließen, damit diese in Kraft treten kann. Mehrere Staaten wollen eine Verschiebung der Reform.

Pröll bewertet Vorschläge "äußerst kritisch"

Österreichs Landwirtschaftsminister Josef Pröll (V) bewertete die Reformvorschläge "äußerst kritisch" und erwartet "intensive Gespräche". Die Pläne bringen für die heimischen Bauern massive Probleme ohne gleichzeitig den Entwicklungsländern realistische Perspektiven zu geben, so der Minister.

Fischler hat vorgeschlagen, das neue Zuschusssystem im Juli 2005 und damit ein Jahr vor dem Auslaufen der derzeitigen, seit 36 Jahren nahezu unveränderten Marktordnung einzuführen.

Zuckerfabriken, die auf Grund der Reform schließen müssen, sollen 250 Euro pro Tonne Zucker an Unterstützung von der EU erhalten, damit die sozialen Auswirkungen abgefedert werden können. Anders als bisher sollen Zuckerfirmen künftig auch Erzeugungsquoten aus anderen EU-Staaten kaufen können.

Garantiepreise um ein Drittel gesenkt

Die Pläne sehen vor, den Garantiepreis für Zucker, der mit 632 Euro je Tonne mehr als doppelt so hoch liegt wie auf dem Weltmarkt und mit dem die EU ihren Binnenmarkt abschottet, um ein Drittel auf 421 Euro je Tonne zu senken. Die Zuckerpreise sollen auf diese Weise um rund 40 Prozent sinken.

Die bezuschussten Absatzmengen (Quoten) sollen binnen vier Jahren um 2,8 auf 14,6 Millionen Tonnen gesenkt werden. Die Rübenbauern will Fischler teilweise für die Einbußen entschädigen. Der Mindestpreis für Zuckerrüben soll von 43,6 auf 27,4 Euro je Tonne in einem Zeitraum von drei Jahren gesenkt werden.

"Durch diese Reform erhält der Zuckersektor in der EU und in den Entwicklungsländern eine realistische Perspektive. Für unsere Verbraucher wird sich dies in einer wesentlich stärkeren Ausrichtung am Markt, und in den Entwicklungsländern in einem erheblichen Abbau der Handelsverzerrungen bemerkbar machen", erklärte Fischler.

Kassandrarufe

Fischler verteidigte seinen Entwurf gegen "Kassandrarufe" der Zuckerindustrie: "Die Fakten sprechen eine andere Sprache." Allein in den vergangenen zehn Jahren seien in der Branche 17.000 Industriearbeitsplätze abgebaut worden, hunderte Fabriken hätten geschlossen, betonte der Kommissar.

Er erwarte aber, dass auf die am wenigsten wettbewerbsfähigsten Standorte in der EU durch die Reform zusätzlicher Druck entsteht: "Ich kann nicht ausschließen, dass es zu Schließungen von Standorten kommt." Zu den Ländern mit der wettbewerbsfähigsten Zuckerindustrien in Europa zählte der Agrarkommissar Deutschland, Frankreich und Großbritannien.

Die Vorschläge der EU-Kommission sehen auch vor, dass die durch Ausfuhrerstattungen subventionierten Exporte um 2 Millionen Tonnen (von 2,4 Millionen auf 0,4 Millionen Tonnen) reduziert werden. "Von den 1,3 Milliarden Euro, die die EU für Exporterstattung ausgibt, wird nicht viel überbleiben", unterstrich Fischler.

Konsumenten profitieren

Profitieren von der Reform würden in erster Linie die Konsumenten, betonte Fischer. Er erwartet eine deutliche Senkung des Zuckerpreises durch die Umstrukturierung der Marktordnung. Für die Rübenbauern bringe der Reformvorschlag der Kommission eine "faire Chance". In den Genuss der vorgeschlagenen Ausgleichszahlungen für Einkommensverluste würden auch die neuen Mitgliedstaaten kommen.

Die deutsche Zuckerwirtschaft sieht durch die Reformpläne die europäische Zuckererzeugung in ihrer Existenz bedroht. Die geplanten Kompensationsregeln für die Zuckerrübenbauern seien unzureichend. Nur noch an besonders ertragsstarken Standorten wäre Zuckerrübenanbau möglich.

"Tausende Landwirte würden ihre Existenz verlieren, Zuckerfabriken müssten schließen", sagte der Vorsitzende der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker, Hans-Jörg Gebhard, in Berlin. Gebhard ist Aufsichtsratschef von Europas größtem Zuckerkonzern Südzucker, der mit 43 Prozent an der österreichischen Agrana beteiligt ist. (APA)