Berlin - Die deutsche Bundesregierung hat am Montag in der Debatte um längere Wochenarbeitszeiten, weniger Urlaub und Feiertage erneut vor einer "ideologischen Fixierung" gewarnt. Dies werde der ökonomischen und tariflichen Situation nicht gerecht, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg in Berlin.

"Jede Fixierung führt in die Irre." Steg verwies auf tarifliche Öffnungsklauseln, die flexible Lösungen in den einzelnen Unternehmen möglich machten. Zur jüngsten Diskussion sagte er: "Wir haben hier einen Wildwuchs von immer absurderen und abstruseren Forderungen."

Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte sich bereits am Wochenende gegen eine generelle Verlängerung der Arbeitszeit ausgesprochen und erklärt, es mache keinen Sinn, eine bestimmte Stundenzahl zu ideologisieren. Führende Politiker von Union und FDP hatten eine Streichung von Feiertagen und eine einheitliche Regelung für alle Bundesländer vorgeschlagen. Mit 13 Feiertagen steht Bayern an der Spitze der deutschen Feiertagsskala.

"Zukunft hängt nicht an einem Feiertag"

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte am Montag, wichtiger als die Debatte um die Streichung eines Feiertags seien vernünftige Arbeitszeit-Regelungen in den Betrieben. "Die Zukunft hängt nicht an einem Feiertag".

Für den Münchner Kardinal Friedrich Wetter sind die Feiertage "ein wichtiges Kulturgut." Wenn man längere Arbeitszeiten einführen wolle, gebe es Spielraum genug, ohne die Feiertage anzutasten. Er lehnte jede "Gleichmacherei" zwischen Bundesländern ab. Der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen warnte, "Menschen verkümmern seelisch, wenn die lebensdeutenden Sonn- und Feiertage zu Gunsten der Arbeit zur Disposition gestellt werden".

Der Präsident des Bundesverbandes der Mittelständischen Wirtschaft, Mario Ohoven, forderte längere Arbeitszeiten, damit die deutsche Wirtschaft international mithalten könne. Allerdings sei es wenig sinnvoll, pauschale Arbeitszeitvorgaben für alle Unternehmen zu machen, erklärte Ohoven im DeutschlandRadio Berlin.

Korridor sinnvoller als pauschale Regelungen

Ein Korridor mit einer Wochenarbeitszeit von vielleicht 30 bis 50 Stunden für Vollzeitbeschäftigte, der durch individuelle Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschäftigten genutzt werden kann, wäre viel sinnvoller als pauschale Regelungen.

Der stellvertretende IG-Metall-Chef Berthold Huber hat längere Arbeitszeiten erneut abgelehnt. "Unser Gravitationszentrum bleibt die 35-Stunden-Woche", sagte Huber der "Süddeutschen Zeitung" (Montag). Mit einer generellen Arbeitszeitverlängerung würde die Gewerkschaft die Entlassung von Hunderttausenden unterschreiben.

Siemens-Vereinbarung als Einzelfall

Den Kompromiss für eine 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich in zwei Siemens-Werken bezeichnete Huber als Einzelfall. "Das war der Versuch, den letzten Massenfertiger von Handys in Deutschland zu halten." Daraus eine politisch motivierte Generaldebatte zu machen, sei "zynisch".

Branchenlösungen nach diesem Muster werde es mit der IG Metall nicht geben. "Weder für andere Siemens-Standorte noch für das Sparbemühen bei DaimlerChrysler oder die Probleme der Haushaltsgerätehersteller wird die Siemens-Lösung eine Blaupause sein", sagte Huber.

Der Deutsche Tourismusverband (DTV) sieht bei einer Verkürzung der Urlaubszeiten Arbeitsplätze in Gefahr. "Die Wirtschaft verkennt, dass es eine Schlüsselbranche gibt, die extrem von Urlaubs- und Feiertagen abhängig ist", sagte DTV-Präsident Tilo Braune. Die Tourismusbranche sichere Umsätze in Milliardenhöhe sowie hunderttausende Arbeitsplätze. Würde ein Urlaubstag gestrichen, bedeute dies einen Umsatzrückgang von 70 Mio. Euro. (APA/dpa)