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Ein russischer TV-Sender zeigte Bilder von den gefangenen Georgiern in Südossetien. Tiflis denkt nun an eine Aufgabe des Waffenstill­stands­vertrags.

Foto: AP Photo/RTR Russian Channel
Tiflis/Wien - Militärische Einheiten der nicht anerkannten Republik Südossetien haben in der Nacht zu Donnerstag etwa 40 Soldaten der georgischen Friedenstruppe in der Separatistenprovinz festgenommen und ein von Georgiern bewohntes Dorf besetzt.

Die Gefangennahme und die Ausstrahlung von Bildern der Soldaten auf einem russischen Nachrichtenkanal haben die seit Wochen dauernden Spannungen zwischen Südossetien und der georgischen Zentralregierung deutlich verschärft. Im Umkreis des besetzten Dorfes Vanati, 20 Kilometer entfernt von Südossetiens Hauptstadt Tskhinwali, brach nach Meldung der russischen Nachrichtenagentur Itar-Tass Panik unter der Bevölkerung aus.

Bei Schusswechseln an einem georgischen Kontrollpunkt wurden später nach Angaben von Premierminister Surab Schwanija zwei Soldaten verletzt. Der georgische Regierungschef richtete ein Ultimatum an die russische Armee, die gemeinsam mit georgischen und südossetischen Truppen einen Waffenstillstand in der Provinz überwachen soll, tatsächlich aber das Regime von "Präsident" Kokoiti stützt.

Die Glaubwürdigkeit der russischen Truppen stehe auf dem Spiel, sagte Schwanija laut der georgischen Nachrichtenagentur Inter-Press; die russischen Truppen sollten innerhalb von zwei Stunden die Freilassung der georgischen Einheit erzwingen. Schwanijas Ultimatum verstrich, ohne dass die 40 Soldaten frei kamen. Südossetiens "Präsident" Eduard Kokoiti versuchte vielmehr, die Regierung in Tiflis zu demütigen, und erklärte, die georgischen Soldaten würden nur an ihre Mütter übergeben. Diese müssten zum Stadteingang von Tskhinwali kommen.

Die Lage sei alarmierend, sagte Goga Khaindrawa, Georgiens Minister für die Lösung der regionalen Konflikte. Khaindrawa will heute, Freitag, zu Gesprächen nach Moskau reisen.

Russland, Georgien und Südossetien sind laut einem Abkommen von 1992 berechtigt, jeweils 500 Soldaten in der kleinen, nur 4000 Quadratkilometer großen Region zu stationieren. Die Gefangennahme der Soldaten, die laut Tskhinwali keine Berechtigung hatten, sich in dem Dorf Vanati aufzuhalten, folgte auf einen Schlag der georgischen Armee vom Mittwoch. Tiflis ließ einen russischen Militärkonvoi in Südossetien aufhalten und beschlagnahmte zwei der zehn Lastwagen. Darin befanden sich nach georgischen Angaben unter anderem 300 Raketen - "nicht gerade die Munition, die Friedenstruppen brauchen", meinte der Chef des georgischen Sicherheitsrates.

Der Konflikt zwischen Tiflis und Tskhinwali schaukelte sich seit dem Machtwechsel in Georgien im November 2003 hoch. Die Reformer um Staatschef Michail Saakaschwili und Premier Schwanija haben die Wiedervereinigung der Kaukasusrepublik versprochen und bereits die Rückkehr Adschariens erzwungen. Nun sieht sich Südossetiens Führung, die sich vor allem durch den Schmuggel aus Russland finanziert, bedroht. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.7.2004)