"Entweder alle tanzen, oder es tanzt gar keiner!": die Schweden The (International) Noise Conspiracy

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Bei den am Freitag in Wiesen und in Imst startenden Festivals Forestglade Ost und West werden The Stooges und The (International) Noise Conspiracy aufzeigen wollen, dass Pop noch immer mit der Revolte spekuliert.


Wiesen/Imst - Mit Revolutionen lassen sich natürlich glänzend Geschäfte machen. Das wissen nicht nur Waffenhändler. Vor allem dann, wenn sie in der Revolte stecken bleiben und also immer wieder neu geprobt werden müssen. Aufstand statt Umwälzung - und schon kommt der Markt ins Spiel. Schwerpunkt: Unterhaltungsindustrie. Vor allem auch mit tragischen Helden, mit glorreichem Scheitern und dazugehöriger Aura lässt sich, sagen wir, Che Guevara weltweit noch mehrere Jahrzehnte nach seinem Tod als Motiv auf T-Shirts glänzend vermarkten - ohne dass sich der freie Markt vor so viel revolutionärer Sprengkraft fürchten müsste.

Noch dazu, wo vor gut zehn Jahren die kalifornische Band Rage Against The Machine mit dezidiert antikapitalistischen Statements ausgerechnet auch mit besagtem kubanischem Revolutionär auf ihren Band-Shirts weltweit für revolutionären Chic und volle Kassen sorgte. Zynischerweise standen die in ihren Songs gegen diverse globale Ungerechtigkeiten anwütenden Kalifornier von Rage Against The Machine bei einem Unterhaltungsmulti unter Vertrag. Der dürfte beim Lesen der Bilanzen beide Augen glückselig zugedrückt haben wegen so viel Systemkritik innerhalb des eigenen Konzerns.

Ähnliche Fragen über die Relevanz politischer Kunst innerhalb einer Ordnung, gegen die man künstlerisch anrennt, mussten sich spätestens seit 1968 schon viele Künstler gefallen lassen (The Clash, Gang Of Four, Manu Chao ...). Und es spricht ja auch grundsätzlich nichts dagegen, wenn hier innerhalb des Marktsegments der Jugendkultur erst einmal ordentlich Rambazamba gemacht wird, bevor man kräftig abkassiert. Die Frage aber, warum sich derart veranlagte Künstler abseits von Fragen weltweiter Vertriebsstrukturen in einem großen Unterhaltungskonzern nicht ihre Verteilersysteme selber schaffen, mussten sie sich schon auch gefallen lassen.

Müssen nur wollen!

Bei den am Freitag im burgenländischen Wiesen und in Imst in Tirol startenden Festivals Forestglade Ost und West regiert dann auch mehr die einmal mehr und oft eher weniger von den Musikern reflektierte rebellische Attitüde als die tatsächliche Auseinandersetzung mit derartigen Fragen. Andererseits: Pop ist zwar als Reflexionsschild aktueller gesellschaftlicher Prozesse gut zu gebrauchen. In ein Schild akustisch einzudringen ist aber schwer. Allein schon der formale Zwang zur Parole innerhalb der Dreiminutengrenzen eines Songs schafft hier klare Grenzen. Gut beobachten lässt sich das heuer neben den fröhlichen Berliner Pessimisten Wir Sind Helden! ("Müssen nur wollen!"), deren Pop eindeutig den derzeitigen Istzustand Deutschlands reflektiert, vor allem bei drei symptomatischen US-Gruppen. Am Sonntag wird Punk-Ahnherr Iggy Pop mit seinen nach gut 30 Jahren reformierten Stooges zeigen, dass Rock 'n' Roll auch einmal eine dunkle, zerstörerische Seite hatte, die vor sozialen Utopien und Visionen erst einmal Nihilismus und Destruktion als reinigende Kräfte einforderte: "Search and destroy!" Der nach Marlon Brandos berühmter Biker-Gang aus "The Wild One" benannte Black Rebel Motorcycle Club wird irgendwie gegen alles sein, gegen das man theoretisch sein könnte, solange man genug Benzin hat.

Und Cypress Hill sind von der Welt derart angewidert, dass sie politisch vor allem die Freigabe von Marihuana fordern, um sich wegzudröhnen. Das zweifellos interessanteste Modell politischer Liedkunst wird dieses Wochenende allerdings von der schwedischen Formation The (International) Noise Conspiracy präsentiert. Deren neues, ordentlich die Verhältnisse zum Tanzen bringendes Sixties-Soul-Punk-Album "Armed Love" stellen sie nicht nur unter das schöne revolutionäre Motto: "O bailan todos, o no baila nadie!" (Entweder alle tanzen, oder es tanzt gar keiner!) Der Spruch, der vor über 30 Jahren von der Guerillabewegung der Tupamaros auf die Wand eines Nachtklubs in Uruguay gemalt wurde, könnte mit Songs wie "Communist Moon" oder "Let's Make History" innerhalb der angereisten Weltjugend immerhin für Gesprächsstoff in den Festival-Bierzelten sorgen. Man wird ja noch träumen dürfen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8. 7. 2004)