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Interimsfinanzminister Silvio Berlusconi: "schmerzloses" Sparpaket.

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Neue Kehrtwende in der italienischen Regierungskrise: Nicht bis Jahresende, sondern "nur für wenige Tage" will Premierminister Silvio Berlusconi nun das Wirtschaftsministerium führen. Die Parteileitung der Christdemokraten setzte dem Regierungschef am Dienstag eine Frist von acht Tagen, um eine "Klärung" in der Koalition herbeizuführen. "Falls das nicht geschieht, verlassen wir die Regierung", drohte Parteichef Marco Follini. "Wir haben kein Interesse, eine Koalition fortzusetzen, in der ein Mann alle Entscheidungen und Ämter an sich reißt", so Follini.

Berlusconi reagierte erbost auf das Ultimatum: "Ich halte die Christdemokraten nicht mehr aus. Wer glauben sie denn zu sein, dass sie mir Bedingungen stellen?" Doch auch die Nationale Allianz meldete konkrete Forderungen an. Vizepremier Gianfranco Fini forderte die rasche Bestellung eines neuen Wirtschaftsministers, die gemeinsame Ausarbeitung eines Haushaltsplanes und eine verbindliche Einigung über wichtige Reformen.

Nach der endgültigen Absage von EU-Kommissar Mario Monti ist der Wirtschaftsexperte Domenico Siniscalco als Nachfolger Tremontis im Gespräch. Der 50-jährige Ökonom (Universität Turin) war enger Mitarbeiter des zurückgetretenen Ministers.

Die rechte AN unterstützt dagegen die Kandidatur des Wirtschaftsexperten des Verkehrsministeriums, Andrea Monorchio. Auch Verteidigungsminister Antonio Martino werden Chancen für den Posten des Wirtschaftsministeriums eingeräumt.

Die rechte Alleanza Nazionale forderte Berlusconi auf, spätestens bis Ende Juli einen Nachfolger Tremontis zu ernennen. "Nach der Verabschiedung des Papiers mit den wirtschaftlichen Richtlinien für die nächsten drei Jahre soll Berlusconi einen neuen Wirtschaftsminister beauftragen", betonte Landwirtschaftsminister Gianni Alemanno, Spitzenpolitiker der AN.

Inzwischen versucht Berlusconi die Regierung wieder zu einen: Ab Sonntag startet ein Konsultationstisch mit den Koalitionspartnern über drei entscheidende Fragen: Wirtschaft, Steuerreform und Föderalismus. Die rechtspopulistische Lega Nord hatte diese Woche mit dem Austritt aus der Regierungskoalition gedroht, wenn ihr Berlusconi keine Garantien auf eine rasche Umsetzung der Föderalisierungsreform geben werde.

Am kommenden Mittwoch wird der Premier in der Abgeordnetenkammer über den Verlauf der Regierungskrise berichten. Voraussichtlich am Freitag wird die Regierung ein Sparbudget mit Maßnahmen im Wert von 7,5 Mrd. Euro, mit dem der Premierminister vorerst eine Frühwarnung aus Brüssel abwenden konnte, beschließen. Die Kürzungen seien "für die Bevölkerung völlig schmerzlos", so der Premier. Er bekräftigte seine Absicht, bis 2005 eine Steuerreform über die Bühne zu bringen, von dem der Mittelstand profitieren werde.

Bedingungslose Unterstützung für den Regierungschef kam von der Lega Nord, deren Konflikt mit den Christdemokraten am Mittwoch weiter eskalierte. Während Bossi-Vize Roberto Calderoli seinen Koalitionspartner Marco Follini mit dem kommunistischen Guerillaführer Che Guevara verglich, brachten mehrere christdemokratische Abgeordnete in der Kammer 50 Abänderungsanträge zur Verwässerung der Föderalismusreform ein, die von der Lega als Bedingung für ihren Verbleib in der Regierung betrachtet wird.

Die Opposition bezeichnete den Niedergang der Regierung als "unaufhaltsam". Grünen-Parteichef Alfonso Pecoraro-Scanio: "Berlusconi tanzt, während die Titanic sinkt." (APA/Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD, Printausgabe, 8.7.2004)