Wien - Der Nachfolger von Bundespräsident Thomas Klestil, Heinz Fischer , unterstrich am Mittwoch das gute Verhältnis zwischen ihm und seinem in der Nacht verstorbenen Vorgänger: "Unser Verhältnis war nicht nur herzlich, sondern sehr herzlich", sagte er im ORF-Fernsehen. Klestil habe in den vergangenen Wochen "alles getan, um die Amtsübergabe harmonisch, reibungslos, freundschaftlich" zu gestalten. Klestils Familie könne "stolz sein auf sein gesamtes Lebenswerk", das von der Devise geprägt gewesen sei, "dem ganzen Land zu dienen".

Fischer wurde am 25. April zum Nachfolger Klestils gewählt, am Donnerstag wird er angelobt. "Immer schon", besonders aber in den letzten Monaten, habe er mit Klestil "sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet", betonte er am Mittwoch. Er sprach von "Harmonie und Freude", z.B. Ende Mai bei der Teilnahme an der Konferenz von 16 Staatspräsidenten in Rumänien.

Klestils besondere Leistungen hätten darin bestanden, dass er "den Weg Österreichs in die EU sehr stark begleitet und unterstützt hat" und "dass seine Nachbarschaftspolitik klug, vorausschauend und staatsmännisch war".

In der Nacht hatte Fischer in einer ersten Reaktion betont, dass "ganz Österreich trauert" angesichts dessen, dass Klestils "durch wirklich eindrucksvolle Pflichterfüllung bis zum letzten Atemzug geprägter Lebensweg" 36 Stunden vor Ende seiner Amtszeit ein Ende gefunden habe.

Bundeskanzler: "Große Persönlichkeit verloren"

Die Regierung hat Mittwoch Vormittag in einem kurzem Sonderministerrat des verstorbenen Bundespräsidenten Thomas Klestil gedacht. Beschlossen wurde dabei Staatstrauer bis einschließlich Samstag. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel meinte im Anschluss: "Mit Bundespräsident Doktor Thomas Klestil hat Österreich eine große Persönlichkeit, einen überzeugten Österreicher und Europäer verloren, der sein Leben in den Dienst seines Landes und anderer Menschen gestellt hat."

"Ich hätte es ihm gewünscht, den Dank der Republik für seine zwölfjährige Präsidentschaft persönlich entgegen nehmen zu können. Gott hat es anders gefügt", bedauerte Schüssel. Klestils Ableben so kurz vor dem Ende der Amtszeit sei "ein tragischer Schicksalsschlag nicht nur für seine Familie, sondern ein trauriges Ereignis für alle Österreicher". Klestil habe ungeachtet seiner gesundheitlichen Beschwerden das Amt mit "großer Aufopferung und Disziplin" ausgeübt. (Siehe: Nachruf von Schüssel im Wortlaut >>>)

Vielzahl an Beleidskundgebungen

Nach Fischer und Schüssel äußerten am Mittwoch Politiker, Interessensvertreter, kirchliche und soziale Organisationen, Vertreter der Justiz und Freunde öffentlich ihre Betroffenheit über das Ableben von Klestil.

Im Folgenden eine Auswahl von Zitaten:

EU-Kommissar Franz Fischler: "Österreich verliert einen Bundespräsidenten mit viel Engagement und Herz. Europa verliert einen überzeugten Europäer der ersten Stunde."

Alt-Bundespräsident Kurt Waldheim (V): "Österreich verliert mit Klestil einen erprobt überparteilichen, immer um Ausgleich und Mäßigung bemühten Bundespräsidenten... Als Kollege und Freund verneige ich mich vor seinem Lebenswerk und seiner bis über die physischen Grenzen hinausgehenden Hingabe für Österreich."

SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer: "Die österreichische Sozialdemokratie empfindet tiefe Trauer über das Ableben Thomas Klestils. Österreich verliert damit eine staatspolitische Persönlichkeit von großem Format."

FPÖ-Chefin Ursula Haubner: "Mit Thomas Klestil verlieren wir ein Staatsoberhaupt, das seine internationalen Kontakte, sein diplomatisches Geschick, aber auch seine Vermittlerrolle über Parteigrenzen hinweg immer zum Wohle der österreichischen Bürger eingesetzt hat."

Grünen-Chef Alexander van der Bellen: "Klestil hat sich innenpolitisch um Dialog und Ausgleich bemüht...Seine große Stärke lag wahrscheinlich in der Außenpolitik."

Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (V),unterlegene Präsidentschaftsbewerberin: "Bundespräsident Klestil war ein überzeugter Österreicher und Europäer. Vor allem in Mitteleuropa hat er etwa durch die Initiierung des zentraleuropäischen Präsidententreffens Zeichen und Akzente gesetzt."

Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V): "Durch sein Wirken stärkte Bundespräsident Dr. Thomas Klestil die Stellung Österreichs als bedeutende Kulturnation."

Verteidigungsminister Günther Platter (V): "Das Bundesheer verliert mit Oberbefehlshaber Dr. Thomas Klestil einen starken Fürsprecher für ein zukunftsorientiertes Heer."

Vizekanzler Hubert Gorbach (F): "Mit Thomas Klestil verlässt uns ein großer Diplomat und ein umsichtiger und vorausschauender Staatsmann."

Sozialminister Herbert Haupt (F): "Thomas Klestil hat sich durch seine unermüdliche Arbeit um die Republik Österreich, sein Land und seine Bevölkerung immer währende Verdienste erworben."

Justizministerin Karin Miklautsch (F): "Er war eine großartige, respektable Persönlichkeit und ein Präsident für alle Österreicher."

Nationalratspräsident Andreas Khol (V): "Österreich hat einen großen Politiker verloren. ... Die Republik ist stärker geworden unter seiner Führung."

2. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (S): "Thomas Klestil war ein Bundespräsident für alle Menschen in Österreich, sein Herz hat stets für unser Land geschlagen."

ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer: "Wir trauern um einen großen Österreicher, der sich zahlreiche Verdienste um unsere Republik erworben und sein Amt trotz schwerer Krankheit bis zuletzt mit großem Einsatz ausgeübt hat."

FPÖ-Klubobmann Herbert Scheibner: "Mit Thomas Klestil verliert unser Land einen bedeutenden Staatsmann und Europäer."

ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch: "Mit Thomas Klestil verliert Österreich nicht nur eine große Persönlichkeit und eine starke Stimme, sondern mit ihm hat die österreichische Gewerkschaftsbewegung einen Freund und Partner verloren."

Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel: "Klestil ist stets dafür eingetreten, dass die Regierung auf die Sozialpartner hört und hat als Bundespräsident ein offenes Ohr für die Anliegen und Probleme der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich gezeigt."

ÖAAB-Bundesobmann Fritz Neugebauer: "Thomas Klestil war ein Bundespräsident des Volkes, der die Sorgen und Ängste der Menschen kannte und ernst nahm."

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl: "Thomas Klestil war mit seinen erfolgreichen Staatsbesuchen in aufstrebende Weltmärkte eine unschätzbare Exportstütze für Österreich."

Industrie-Präsident Veit Sorger: "Bundespräsident Dr. Thomas Klestil hat als überzeugter Europäer Österreichs Weg nach Europa proaktiv mitbegleitet."

Kardinal Christoph Schönborn: "Auch wenn es in seinem Leben Schwierigkeiten gegeben hat im konkreten Verhältnis zur Kirche" sei er sicher, dass Klestil auch als gläubiger Mensch "seinen letzten Schritt auf dieser Erde getan hat und im Glauben gestorben ist".

IKG-Präsident Ariel Muzicant: "Unvergesslich wird er uns Juden ob seiner kompromisslosen Haltung zur jüngsten Vergangenheit dieses Landes bleiben. Sein bewegender Besuch in Israel im Jahre 1994 hatte historische Dimension."

ÖCV-Präsident Johannes Fitzinger (Klestil war Mitglied der Bajuvaria und 1958/59 Vorsitzender des Wiener CV): "Mit dem Ableben von Bundespräsident Dr. Thomas Klestil verliert der Österreichische Cartellverband ein hoch verdientes und um unsere Anliegen immer engagiertes Mitglied."

Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer: "Die Republik Österreich mit ihren Gemeinden verliert nicht nur ein hervorragendes und seinen Pflichten bis zuletzt obliegendes Staatsoberhaupt, sondern auch einen im In- und Ausland angesehenen Diplomaten."

VfGH-Präsident Karl Korinek: "Er war ein beeindruckendes Vorbild an Respekt vor der Verfassung und dem Rechtsstaat. Er hat das Amt als Bundespräsident sehr persönlich geprägt."

Richtervereinigungs-Präsidentin Barbara Helige: "Bundespräsident Klestil hat sich für die Unabhängigkeit der Rechtsprechung sehr deutlich eingesetzt. Er war der dritten Gewalt sehr verbunden."

ORF-Generaldirektorin Monika Lindner (Klestil hatte die Patronanz über "Licht ins Dunkel"): "Seine zwölfjährige Tätigkeit an der Spitze der Republik war von den Idealen der Gerechtigkeit, des Ausgleichs und der Toleranz geprägt."

Michael Landau, Wiener Caritas-Direktor: ""Er war ein Bundespräsident für alle Österreicher, auch für die, die oft an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden."

Philipp Sonderegger, SOS Mitmensch: "Wir wollen daran erinnern, dass Dr. Klestil die Hofburg für MigrantInnen, sozial Benachteiligte und Ausgegrenzte geöffnet hat. Er hat ungewöhnliche Schritte gesetzt, um die an den Rand gedrängten ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit zu bringen."

Joe Zawinul, Jazz-Musiker: "Thomas Klestil war ein wahrer Freund für 59 Jahre und wahrer Mensch, der nie vergessen hat, woher er kam. Er ist immer Mensch geblieben, der sich auch nicht geschämt hat, manchmal eine Träne im Augenwinkel zu haben und nie seine Freunde vergessen hat."

Wiens Bürgermeister Michael Häupl, Trauzeuge bei Klestils Hochzeit mit Margot Löffler 1998: "Er hat es stets verstanden, das Ansehen Österreichs zu fördern... Und er hat menschliche und wirtschaftliche Brücken gebaut, die uns noch lange mit anderen Ländern und deren Menschen verbinden werden."

Ex-Wirtschaftskammer-Präsident Leopold Maderthaner, Trauzeuge bei Klestils Hochzeit mit Margot Löffler: "Das Land verliert mit ihm einen hervorragenden Menschen - und ich einen sehr guten Freund."

Finanzminister Karl-Heinz Grasser: "Bundespräsident Dr. Klestil war als Staatsoberhaupt ein hervorragender Repräsentant Österreichs, der unser Land international bestens vertreten hat. Seine Amtsführung zeichnete auch aus, dass er stets offen für die alltäglichen Nöte und Sorgen aller Mitbürgerinnen und Mitbürger war."

Erhard Busek, Ex-Vizekanzler und ÖVP-Chef, der seinerzeit Thomas Klestil zum Bundespräsidentschafts-Kandidaten der Volkspartei machte, kritisiert in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung" die "barocke Verlogenheit" der Staatstrauer nach dem Ableben des Staatsoberhaupts. Konkret sagt Busek in dem Interview: "Wenn Sie mich fragen, ob ich bei der einen oder anderen politischen Trauerbezeugung auch Spurenelemente der Unaufrichtigkeit wahrnehme, dann sage ich: Ja. Das will ich nicht nur auf die ÖVP bezogen wissen. Das gilt generell. Wir erleben eine typische Staatstrauer. Die barocke Verlogenheit des Landes."

Die "hymnischen Nachrufe" seien "Kompensation für manches, was vorher gesagt wurde. Hier manifestiert sich schlechtes Gewissen, also etwas Barock-Katholisches", so Busek weiter.

Die Veränderung der Persönlichkeit Klestils führt Busek auf die Krankheit einerseits, die persönlichen Umstände andererseits zurück. "Er war zum Schluss sehr einsam. Es hat ihn vieles tief getroffen. Bei Menschen, die an Herzversagen sterben, heißt es oft: Er starb an einem gebrochenen Herzen. Ich glaube, das war auch bei Klestil der Fall."

Zum Zerwürfnis mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) meint Busek: "Er hat vor allem darunter gelitten, dass man seine Absicht nicht verstanden hat auf der anderen Seite. Bis zum Schluss. Er hat sich in vielem missverstanden gefühlt. Was ihn zuletzt sehr getroffen hat, waren die Spekulationen über seine Ehe."

Aus Sicht Buseks konnte Klestil vor allem dessen eigene Erwartungen nicht erfüllen. "Ich habe ihn immer vor der Rolle des aktiven Bundespräsidenten gewarnt. Die Verfassung lässt es nicht zu." (APA/red)