"Sehr, sehr betroffen" zeigte sich am Dienstagnachmittag Sektionschef Michael Neider vom Justizministerium über einen Bericht am Mittwoch erscheinenden Ausgabe der Wiener Stadtzeitung "Falter": Das Medium veröffentlicht darin ein Foto des im Juni 2001 in der Justizanstalt Stein umgekommenen Häftlings Ernst K., der blutverschmiert, mit gebrochener Nase und zugestopftem Nasenloch in einer kleinen "Sonderzelle" zu sehen ist. Der Mann ist an einer Hand und an beiden Füßen auf dem Rücken mit Lederriemen an ein Bett gegurtet. Aus dem Mund des Toten rinnt Blut.

"Der nun schon einige Zeit zurückliegende Fall wurde sehr genau untersucht. Es scheint aber Informationen zu geben, die ich bisher nicht gekannt habe. Dabei war ich subjektiv überzeugt, ein komplettes Wissen zu haben. Ich kann derzeit aber nicht überblicken, ob wir wirklich alles gewusst haben", sagte dazu Neider. Der für den Strafvollzug zuständige Sektionschef kündigte an, die Umstände des Todes binnen 24 Stunden neuerlich umfassend überprüfen zu wollen.

"Zum Selbstschutz" fixiert

Das Ableben von Ernst K. hatte schon vor drei Jahren für Schlagzeilen gesorgt. Weil der "Lebenslange" in seiner Zelle getobt haben soll, wurde er auf ein Gurtenbett geschnallt. "Er war einer der schwierigsten Häftlinge in meiner Berufslaufbahn", erinnert sich Neider. Der Häftling war für seine psychotischen Schübe bekannt. Er wurde wiederholt "zum Selbstschutz" fixiert.

Am 15. Juni 2001 überlebte er diese "Ulimatio Ratio, um einen Tobenden ruhig zu stellen" (Neider) nicht: Offensichtlich konnte sich Ernst K. nicht bemerkbar machen, als er plötzlich einen Darmverschluss erlitt. Dass er tot war, bemerkten die Beamten erst eineinhalb Stunden später.

Verfahren eingestellt

Die Staatsanwaltschaft, die in diesem Fall wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen Ermittlungen aufnahm, stellte die Verfahren gegen die in Verdacht geratenen Beamten und Ärzte ein. Man fand keine Indizien für ein schuldhaftes Verhalten, ging von einem "natürlichen Tod" - Herzversagen in Folge des Darmverschlusses - aus.

Laut "Falter" war Ernst K. aber nicht nur am Rücken fixiert, auch seine Atemwege sollen verstopft gewesen sein. Die Nase des Häftlings war mit einem Dachziegelverband verarztet worden. Sie war - angeblich nach einem Sturz während eines psychotischen Anfalls auf den Zellenboden - gebrochen. Der Bruch muss starke innere Blutungen verursacht haben. Ein Nasenloch wurde laut "Falter" mit einer "Tamponade", einem starken Druckverband, verschlossen.

"Der Häftling ist offensichtlich so behandelt worden. Ob es im konkreten Fall richtig war, weiß ich nicht. Es ist eine entsetzliche Vorstellung, dass trotz aller Bemühungen, den Strafvollzug zu verbessern, Dinge passieren, die nicht passieren sollten. Ich will das ganz schnell aufklären", betonte Sektionschef Neider.

Zwei weitere Todesfälle in Gefängnissen

Der "Falter" berichtet darüber hinaus von zwei weiteren Todesfällen in den Justizanstalten Göllersdorf und Schwarzau. In Göllersdorf hatte sich ein Häftling in einer Art Gitterkäfig, in dem besonders gefährliche Insassen untergebracht sind, mit seinem Pyjama erhängt. In der Schwarzau war vor zwei Wochen eine 27-jährige Frau in ihrer Zelle an Erbrochenem erstickt. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgenommen.

Sektionschef Neider weist Kritik an zu wenig qualifiziertem Personal zurück

Sektionschef Michael Neider vom Justizministerium verteidigte gegenüber der APA vor allem Göllersdorf, das eine Art "Mustergefängnis" sei. So genannte Sonderhafträume wären auch dort nicht zu vermeiden: "Das ist für das Personal die Ultima Ratio im Umgang mit den schwierigsten Häftlingen, vor allem auch deshalb, um diese vor sich selbst zu schützen."

Die Justizanstalt Stein wiederum stelle "allgemein eine Chiffre für ein problematisches Gefängnis dar, wo sich aber 80 Prozent der Meldungen als falsch herausstellen", so Neider. Kritik, dass es vor allem dort zu wenig qualifiziertes Personal für die 830 Insassen - darunter eine Vielzahl an so genannten geistig abnormen Rechtsbrechern - gebe, lässt er nicht gelten: "In Stein hat es vor 15 Jahren einen Psychiater gegeben. Jetzt sind es drei. Wir bemühen uns, die Betreuung immer weiter zu verbessern. Aber die Welt und die Kosten sind endlich." (APA)