FRAGE: Sie haben mit dem Titel-Gewinn ein großes Kapitel
griechischer Sportgeschichte der Neuzeit geschrieben. Wie empfinden
Sie diesen Triumph?
REHHAGEL: "Das ist natürlich ein ganz besonderer Höhepunkt in
meinem Sportlerleben als Spieler und Trainer. Dieses 1:0 geht weit
über sportliche Begriffe hinaus. Es ist einfach fantastisch, dass der
Fußball es geschafft hat, alle Menschen in Griechenland zu vereinen.
Das ist etwas Großartiges, das der Politik nicht immer gelingt. Mir
fällt da ganz spontan das Lied ,Alle Menschen werden Brüder' ein."
FRAGE: Wie groß ist Ihr Anteil an diesem unerwarten Erfolg?
REHHAGEL: "Diesen Titel hat die Mannschaft geholt und ihn sich
hoch verdient. Ich habe meinen Spielern nur Ratschläge gegeben und
sie haben sich in vorbildlicher Weise daran gehalten. Dafür danke ich
ihnen ganz herzlich. Sie haben sich wunderbar diszipliniert
verhalten, seit wir vom 26. Mai an uns auf die Europameisterschaft
vorbereitet haben. Es ist nicht immer leicht, mit rund 30 Mann
inklusive dem Betreuerstab jeden Tag zusammen zu sein."
FRAGE: Wie haben Sie es geschafft, eine solche für den Erfolg
wichtige fast familiäre Atmosphäre zu erzeugen?
REHHAGEL: "Indem ich und mein Assistent Joannis Topalidis immer
wieder Einzelgespräche mit jedem Spieler geführt haben, vor allem
auch mit denen, die nicht gespielt haben. Sie haben begriffen, dass
wir nur als homogene Gruppe Erfolg haben können. Das hat wunderbar
hingehauen. Die Mannschaft ist im Verlaufe des Turniers immer mehr
zusammen gewachsen und hat sich wunderbar entwickelt, wie man an dem
Ergebnis sieht."
FRAGE: Hatten Sie vor der EM nur ansatzweise daran gedacht, dass
Ihr Team überhaupt Chancen auf einen Sieg hat und dann so weit kommen
kann?
REHHAGEL: "Als wir uns qualifiziert hatten, wollten wir natürlich
auch unseren ersten Sieg bei einer EM holen. Man konnte aber nicht
ahnen, dass es so weit gehen würde. Das hat sich dann so entwickelt,
wie es gekommen ist."
FRAGE: Wie kommt es, dass große Fußball-Länder wie
Titelverteidiger Frankreich, England, Italien und Deutschland früh
nach Hause mussten und nun Griechenland ganz oben steht?
REHHAGEL: "Es gibt kaum noch einen Unterschied zwischen Groß und
Klein. In diesen Zeiten moderner Kommunikationsmöglichkeiten ist die
Welt ein Wohnzimmer geworden. Sensationen hat es immer wieder
gegeben, so zum Beispiel 1966 der 1:0-Sieg Nordkoreas über Italien.
In diesem Turnier hat es eine Sensationsmannschaft gegeben, und die
waren wir. Von solchen Überraschungen lebt die ganze Geschichte."
REHHAGEL: