Jerusalem/New York - Nach der Verfügung des israelischen Höchstgerichts über die Änderung des Verlaufs der umstrittenen Sperranlage im Westjordanland erübrigt sich nach Ansicht von Ministerpräsident Ariel Sharon das für Freitag erwartete Gutachten des Internationalen Gerichtshofes (IGH) in Den Haag. "Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ist eine wichtige rechtliche Antwort auf die gegen Israel fabrizierten Lügen", erklärte der Premier am Sonntagabend in Jerusalem. Das Oberste Gericht hatte in der vergangenen Woche befunden, der bisherige Sperrwall-Verlauf, erschwere das Leben von Zehntausenden von Palästinensern zu sehr. Es ordnete zugleich einen Baustopp in einem Teilabschnitt nördlich von Jerusalem an.

Außenminister Silvan Shalom, der sich gegenwärtig zu politischen Gesprächen in den USA aufhält, sagte in einem Radiointerview, er halte es für möglich, dass ein US-Veto im UNO-Sicherheitsrat nicht erforderlich sei, weil der IGH ohnehin wissen müsse, dass er seine Empfehlungen nicht durchsetzen könne. Die israelische Regierung hat die USA ersucht, gegen das erwartete IGH-Gutachten gegebenenfalls ihr Veto im UNO-Sicherheitsrat einzulegen. Das berichteten am Wochenende israelische Medien nach Gesprächen von Außenminister Shalom mit US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice in Washington. Israel werde in dieser Angelegenheit kein "Eingreifen von außen seitens des Internationalen Gerichtshofes" akzeptieren, sagte Shalom nach seinem Besuch im Weißen Haus.

Das von der UNO-Generalversammlung angeforderte IGH-Gutachten, das am 9. Juli in Den Haag veröffentlicht werden soll, sei im Zentrum seiner Gespräche gestanden, sagte Shalom im israelischen Fernsehen. Israel wolle vor allem die propagandistische Ausschlachtung der Gerichtsentscheidung durch die palästinensische Seite verhindern und - "wenn die Affäre von den Weltsicherheitsrat kommt, das (US-)Veto erreichen", erklärte der Außenminister.

Israel boykottierte das Verfahren und sprach dem IGH die Zuständigkeit ab. 47 Staaten haben bei der obersten Rechtsinstanz der Vereinten Nationen schriftliche Stellungnahmen abgegeben. Die EU hatte Israel aufgefordert, den Bau, durch den eine Zwei-Staaten-Lösung "physisch unmöglich" gemacht werde, zu stoppen und bereits fertiggestellte Abschnitte des Sperrwalls zu beseitigen. (APA)